„KCK usurpiert Antifa”: Fahnenprozess in Lüneburg

In Lüneburg findet am 9. März ein Prozess gegen einen Antifaschisten statt, der einen Strafbefehl wegen einer Antifa-Enternasyonal-Fahne auf einer Demonstration gegen den Angriff auf Efrîn zurückwies. Ein Präzedenzfall, um Antifa-Symbole zu verbieten?

In Lüneburg steht am 9. März ein Antifaschist vor dem Amtsgericht, der einen Strafbefehl wegen einer Antifa-Enternasyonal-Fahne auf einer Demonstration im Frühjahr 2018 gegen die völkerrechtswidrige Invasion der Türkei im nordsyrischen Kanton Efrîn zurückwies. Dem Aktivisten wird vorgeworfen, mit dem Tragen dieser Fahne gegen das Vereinsgesetz verstoßen zu haben. Begründet wird das Verfahren damit, dass das Antifa-Enternasyonal-Symbol ein von der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) usurpiertes Kennzeichen darstellen soll. In Lüneburg möchte man offenbar einen Präzedenzfall schaffen, um Antifa-Symbole zu verbieten. Die Antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen ruft dazu auf, sich solidarisch zu zeigen und den Prozess zu beobachten. Zum Hintergrund des Verfahrens und den kafkaesken Anschuldigungen Lüneburger Gerichte teilt die Gruppe mit:

„Am 24. März 2018 wurde im Anschluss an die Demonstration ‚Frieden für Afrin‘ in Lüneburg eine Antifa-Enternasyonal-Fahne durch die Polizei beschlagnahmt. Der Träger der Fahne wurde schon während der Demonstration mehrmals von Polizeibeamten gefilmt. Als Grund für die Beschlagnahme nannten die eingesetzten Polizeibeamten, dass die Fahne ‚verboten‘ und das Zeigen dieser Fahne ein Verstoß gegen das Vereinsgesetz sei. Außerdem gab der Einsatzleiter an, dass dies auf Anordnung der Lüneburger Staatsanwaltschaft geschehen würde. Hintergrund war ein mittlerweile eingestelltes Ermittlungsverfahren gegen ein Mitglied der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen in ähnlicher Angelegenheit (Abbildung des Symbols auf der Internetseite der Gruppe).

In Lüneburg wurde vor und nach dem 24. März 2018 seitens der Polizei oder Staatsanwaltschaft nichts weiter gegen Antifa-Enternasyonal-Fahnen unternommen. Mehrmals wurden seitdem die Fahnen auf Demonstrationen mitgeführt und gezeigt.

Unbedingter Verfolgungswille

Die Staatsanwaltschaft Lüneburg führt bis heute das Verfahren. Tatvorwurf ist eine angebliche ‚Zuwiderhandlung gegen Verbote nach dem Vereinsgesetz’. Im April und im Oktober 2018 sowie nochmals im Januar 2019 bot sie die Einstellung des Ermittlungsverfahren an, mit der Bedingung, dass auf Rückgabe der sichergestellten Fahne verzichtet wird. Im Mai 2019 folgte dann ein Strafbefehl des Amtsgerichts. Da darauf nicht eingegangen worden ist bzw. Widerspruch eingelegt wurde, wird am 9. März 2020 vor dem Amtsgericht Lüneburg nun der Prozess gegen den Träger der Fahne stattfinden.

Das Ermittlungsverfahren und Anklage wird damit begründet, dass die Antifa-Enternasyonal-Fahne ein abgewandeltes Symbol der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bzw. der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) darstellen würde. Beide Organisationen sind in der BRD mit einem Betätigungsverbot belegt.

Die inkriminierte Fahne zeigt auf grünem Grund ein Antifa-Logo mit der türkischen Beschriftung ‚Antifa Enternasyonal’, welches durch gelbe Sonnenstrahlen eingefasst ist. Die Staatsanwaltschaft interpretiert die Antifa-Fahne falsch und behauptet, dass das Antifa-Symbol den Kern einer Sonne und einen roten Stern überdecken würde. Nach Meinung der Staatsanwaltschaft kann die Verbindung des Hintergrundes mit dem Antifa-Enternasyonal-Logo nur bedeuten, dass durch die Fahne die Antifa die Anliegen der PKK unterstütze.

Landgericht Lüneburg: Verwendung des Symbols bedeutet PKK-Werbung

In einem Beschluss des Landgerichts Lüneburg zu einer Beschwerde gegen die Beschlagnahme der Fahne durch das Amtsgerichts Lüneburg, wird dem Träger der Fahne und der Antifa nicht nur die Unterstützung der PKK vorgeworfen, sondern die Verwendung der Fahne sei sogar Werbung für die PKK und ihrer Unterorganisationen.

Auch das Lüneburger Landgericht will ein verbotenes Symbol sehen. In seinem Beschluss versteigt sich dann das Landgericht Lüneburg in die sehr krude These, dass das vollständige Überdecken des Roten Sternes in der originären KCK-Fahne durch das Antifa-Enternasyonal-Logo, wegen des verbleibenden Hintergrundes genauso zu werten sei wie eine nicht vollständige Überdeckung eines Hakenkreuzes.

Um die Verfolgung und ein Verbot der Fahne fortzuführen bzw. zu erreichen, wird durch Staatsanwaltschaft und Gericht eine eigene Begründung konstruiert. Sie behaupten eine Übereinstimmung mit wesentlichen Vergleichspunkten des verbotenen Originalkennzeichens der KCK. Dabei geht es den Verfolgungsbehörden darum, die Antifa-Enternasyonal-Fahne als ein symbolträchtiges Kennzeichen zu deuten, welches dazu diene, das Verbot der PKK zu unterlaufen und den Anschein einer ungehinderten Vereinsbetätigung zu erwecken. Dieser Gefahr sei vorzubeugen und dafür dürfe der Ähnlichkeitsbegriff großzügiger ausgelegt werden. Ignoriert wird dabei, dass das Symbol bzw. die Fahne nicht in die Bergen Kurdistans entstanden ist, sondern aus der internationalistischen, antifaschistischen Bewegung Deutschlands.

Verfahren beruht auf Hypothese des Staatsanwalts

Es wurde sich dazu entschlossen, die Einstellungsangebote der Staatsanwaltschaft, mit dem Verzicht auf Herausgabe der Fahne, nicht anzunehmen. Das Ermittlungsverfahren beruht auf bloßen Vermutungen und einer Hypothese des Staatsanwalts. Die Fahne wird seit Jahren in der BRD verwendet, sie ist frei verkäuflich, ist nicht in den Listen des Innenministeriums der verbotenen Symbole aufgeführt und ein Verbot ist nicht bekannt. Vielmehr ist die Staatsanwaltschaft Lüneburg für ihren Verfolgungseifer gegen die kurdische Freiheitsbewegung berüchtigt und versucht die deutsche Verbotspolitik mit ihren Repressionsmaßnahmen noch weiter auszudehnen. Ein weiteres Symbol soll offenbar verboten werden.

Nachdem fast sämtliche Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung verboten wurden, nimmt die Staatsanwaltschaft sich jetzt eins der antifaschistischen Bewegung vor. Die grüne Fahne mit dem Antifa Logo soll verboten werden, weil es für eine antifaschistische Bewegung steht, die internationalistisch, feministisch, ökologisch, antikapitalistisch und solidarisch ist. Die eine Perspektive formuliert hat, die sich am Schwur von Buchenwald orientiert und eine Welt des Friedens und der Freiheit zum Ziel hat.

Schluss mit Kriminalisierung der kurdischen Freiheitsbewegung!

1993 wurde in Deutschland das Betätigungsverbot gegen die PKK verhängt. Es folgte eine Welle der Kriminalisierung gegen Kurd*innen mit Ausgrenzung aus dem sozialen und politischen Leben. Aktuell befinden sich, legitimiert durch den Paragraphen 129b (StGB), mehrere kurdische Aktivisten, deren Engagement ausschließlich einer friedlichen Lösung der kurdischen Frage und der Etablierung einer Demokratiekultur galt, als politische Gefangene in deutschen Haftanstalten. Die Kriminalisierung von Kurd*innen in Deutschland wird weiter fortgesetzt. Durchsuchungen von Privatwohnungen, Vereinen, Beschlagnahmungen und Inhaftierungen waren und sind immer wieder an der Tagesordnung. Zuletzt im März 2016 wurden zudem weitere Symbole der kurdischen Freiheitsbewegung verboten. Darunter die Symbole der YPJ/YPG und Fahnen mit dem Konterfei des in der Türkei inhaftierten Vorsitzenden der PKK, Abdullah Öcalan.

Mit den Verboten von Symbolen kurdischer Organisationen, wie der YPJ und YPG aus Syrien, wird einerseits weiterhin das Erdogan-Regime als Steigbügelhalter des dschihadistischen Terrors im Mittleren Osten hofiert und andererseits die entschiedensten Kämpfer*innen gegen den IS-Terror kriminalisiert. Mit den Verboten der Symbole besonders der YPJ/YPG und PYD folgt die Bundesregierung der Sichtweise Ankaras, wonach es sich bei diesen Organisationen um  ‚terroristische Vereinigungen’ handelt.

Das Verbot der PKK, als rein politische Entscheidung ungerechtfertigt ausgesprochen, ist längst hinfällig. Denn es kann keinerlei Legitimation dafür geben, die stärkste Akteurin im Kampf gegen den barbarischen Daesh – den sogenannten  ‚Islamischen Staat’ – und somit wichtigsten Stabilitätsfaktor in der von Konfliktlinien gezeichneten Region des Mittleren Ostens, die PKK, des Terrorismus zu bezichtigen. Die Kurd*innen bilden ein solides Fundament für nachhaltige Veränderungen in der Region sowie eine demokratisch-pluralistische Gesellschaft jenseits von nationalistischen, patriarchalen und religiös-fundamentalistischen Vorstellungen. Es gilt, diese demokratischen Strukturen und Erfahrungswerte auszubauen und fortschrittliche Kräfte zu stärken.

Die kurdische Freiheitsbewegung hat sich zu einer immer größer werdenden Alternative zu den Regimen von Erdogan in der Türkei, Assad in Syrien, den korrupten Machthabern in Bagdad oder den islamistischen Terroristen des IS entwickelt. Sie steht wie keine andere Bewegung für Demokratie, Frauenrechte, Ökologie und Frieden.

Die Verbote zeigen: Die deutsche Regierung hat Angst vor den Ideen der kurdischen Bewegung. Rätebewegung, Frauenbefreiung und kollektive Wirtschaft, Verständigung aller Unterdrückten und ihre Selbstverteidigung sind den Herrschenden eine Bedrohung.

Solidarität sichtbar machen

Mittlerweile wurde eine Anklageerhebung angekündigt und auch schon ein Termin für eine Verhandlung festgesetzt. Wir rufen zu einer solidarischen Begleitung auf und wollen verdeutlichen, dass wir uns unsere Symbole nicht verbieten lassen.

Der Prozess findet am Montag, 9. März 2020,  um 10 Uhr vor dem Amtsgericht Lüneburg, Am Ochsenmarkt 3 (Marktplatz) statt.

Solidarität zeigen

Für den Prozess in Lüneburg und mögliche Verhandlungen in höheren Instanzen wird neben Solidarität auch viel Geld benötigt:

Solidaritätskonto:

Solidarität (Kontoinhaber*in)

Volksbank Lüneburger Heide

IBAN: DE90 2406 0300 0125 3816 00

Stichwort: ‚Flagge zeigen’ (bitte angeben)”