Noch mehr Tote bei Volksaufstand in Rojhilat und Iran

Bei den Protesten in Rojhilat und Iran nach dem staatlichen Femizid an Jina Mahsa Amini gab es erneut Todesopfer. Der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights zufolge starben bereits mindestens 54 Demonstrierende.

Bei dem Volksaufstand in Rojhilat und Iran gab es erneut Todesopfer. Der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IHR) zufolge starben bereits mindestens 54 Demonstrierende. „Wir fordern die internationale Gemeinschaft erneut auf, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um dieses Morden zu stoppen“, sagte Mahmood Amiry-Moghaddam, Leiter der Organisation mit Sitz in Oslo, am Samstag.

Die Zahl der Verletzten bleibt indes weiter unklar. Menschenrechtsorganisationen vermuten, dass bisher mehr als tausend Menschen infolge der Gewalt iranischer Sicherheitskräfte verletzt worden sind. Die Zahl der Festnahmen dürfte sich ebenfalls im unteren vierstelligen Bereich bewegen. Allein in der Provinz Gilan sollen zuletzt mehr als 730 Menschen in Gewahrsam genommen worden sein, darunter mindestens 60 Frauen. „Das Volk Irans fordert Rechte ein, die ihm von der Islamischen Republik seit mehr als 40 Jahren vorenthalten werden. Die Antwort auf diese friedlichen Proteste sind Kugeln“, sagte Amiry-Moghaddam. Und er fügte hinzu: „Verurteilungen und Bekundungen der Besorgnis reichen nicht mehr aus. Die internationale Gemeinschaft und alle, die sich an die Grundsätze der Menschenrechte halten, müssen jetzt die Forderungen des iranischen Volkes unterstützen.“

Die Behörden wollen zur Zahl der Todesopfer bei den Protesten bis auf weiteres keine Angaben mehr machen. Zuletzt berichtete der staatliche iranische Fernsehsender IRIB von 35 Toten, fügte jedoch hinzu, dass diese Zahl inoffiziell und noch nicht bestätigt sei. Zuvor gab Teheran die Zahl der Toten mit 17 an, darunter seien fünf Sicherheitskräfte. Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw berichtet derweil nur noch auf Twitter, da ihre Webseite vom Provider offenbar gesperrt wurde.

Volksaufstand nach Tod von Kurdin in Polizeigewahrsam

Ausgelöst wurden die Proteste durch den Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini am Freitag vergangener Woche. Sie war von der „Moralpolizei“ festgenommen worden, weil sie den Hidschab nicht den strikten Vorschriften entsprechend getragen haben soll. Auf dem Revier wurde sie im Verlauf einer „Belehrung“ durch die Sittenbehörde so massiv misshandelt, dass sie drei Tage später in einem Krankenhaus für tot erklärt wurde.

Sicherheitskräfte setzen scharfe Munition ein

Seit Aminis Tod hat es in Rojhilat und Iran an acht Tagen in Folge massive Proteste gegen staatliche Femizide, den herrschenden Klerus und das System der Islamischen Republik gegeben. Der Volksaufstand hat sich inzwischen auf rund 80 Städte ausgeweitet, auch am Samstagabend demonstrierten zahlreiche Menschen wieder landesweit unter der Parole „Jin, Jiyan, Azadî“ gegen die Diktatur der Mullahs. Sicherheitskräfte gehen mit scharfer Munition gegen Protestierende vor. Auf einem Video, das von IHR verbreitet wurde, war ein Uniformierter zu sehen, der mit einem Sturmgewehr auf Menschen im Stadtzentrum von Teheran feuerte. Andere Video zeigen ebenfalls den Einsatz von Schusswaffen der Regimekräfte.

Zahlreiche Journalist:innen und Aktivist:innen der Zivilgesellschaft in Haft

Unter den Festgenommenen befinden sich auch zahlreiche Medienschaffende sowie Aktivistinnen und Aktivisten der Zivilgesellschaft Rojhilats und Irans, viele wurden bereits verhaftet. Unter ihnen ist auch die Journalistin Nilufar Hamedi, die für die Reformzeitung „Shargh“ arbeitet. Sie hatte das Krankenhaus besucht, in dem Amini lag, und mit dazu beigetragen, ihren Fall öffentlich zu machen. Seit gestern befindet sie sich im berüchtigten Evin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran. Irans Präsident Ebrahim Raisi kündigte unterdessen einmal mehr ein hartes Durchgreifen gegen die Demonstrierenden an. Man werde nicht zulassen, dass „vom Ausland bezahlte Söldner“ die Sicherheit des Landes gefährdeten, sagte er bereits am Freitag. „Proteste ja, Unruhen nein“, sagte Raisi.