Kurdische Politikerin Ilham Ahmed spricht im britischen Parlament

Die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats, Ilham Ahmed, hat gestern Abend auf einer Veranstaltung im britischen Parlament zur Zukunft der autonomen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien gesprochen.

Die Ko-Vorsitzende des Demokratischen Syrienrats (MSD), Ilham Ahmed, hält sich im Moment zu diplomatischen Gesprächen in London auf. Gestern Abend sprach sie auf Einladung des Labour-Abgeordneten Lloyd Russel-Moyle im britischen Parlament über die Angriffe des türkischen Staates auf Nordsyrien und den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ (IS).

Die gut besuchte Veranstaltung mit dem Titel „Aufbau einer fortschrittlichen Demokratie im Mittleren Osten: Die Zukunft der autonomen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens“ war vom Centre for Kurdish Progress organisiert worden. Ilham Ahmed berichtete, dass sich in den Händen der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien 800 ausländische IS-Gefangene aus 47 Staaten befinden. Die kurdische Politikerin forderte eine Lösung zur Rücknahme dieser Staatsbürger durch ihre Herkunftsländer.

Ahmed wies auch auf die ständigen Angriffe und den vom türkischen Staat gegen die Kurden geführten Krieg sowohl in Syrien als auch in Nordkurdistan und der Türkei hin. Sie ging dabei auch auf den Hungerstreik Hunderter Kurdinnen und Kurden für die Aufhebung der Isolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan ein.

Russell-Moyle: Sie sind Großbritannien hundert Jahre voraus

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Lloyd Russell-Moyle. Der Abgeordnete der Labour-Partei berichtete über seine Erfahrungen bei einem Besuch in Nordsyrien vor wenigen Monaten und äußerte sich beeindruckt von der aktiven Präsenz von Frauen in allen Bereichen und dem Zusammenleben der unterschiedlichen ethnischen und religiösen Identitäten: „Das pluralistische, demokratische, feministische, ökologische und konföderale System mit eigenen Augen zu sehen, hat mich regelrecht schockiert. Sie sind da hundert Jahre weiter als Großbritannien.“ Dieses alternative System müsse in jedem Fall geschützt werden, so Russel-Moyle, der „den kurdischen Genossinnen und Genossen“ für die Niederschlagung des IS dankte und vor der aggressiven Haltung des türkischen Staates warnte.

800 IS-Mitglieder aus 47 Ländern

Ilham Ahmed ging nach einer Vorstellung des in Nord- und Ostsyrien im Aufbau befindlichen gesellschaftlichen Systems auf die aktuellen politischen Entwicklungen ein: „Im Moment befinden sich 4.000 Familienangehörige und etwa 800 IS-Mitglieder in unseren Händen. Diese 800 IS-Mitglieder stammen aus 47 verschiedenen Staaten. Wir wollen sie an ihre Herkunftsstaaten ausliefern. Wir haben 8.000 Gefallene im Kampf gegen den IS, hunderte Verletzte und Versehrte. Mit diesem Kampf haben wir sowohl für unsere eigene Sicherheit als auch für die Sicherheit Europas gesorgt. Die Bedrohung durch den IS ist jedoch noch nicht vorbei. Der IS führt immer noch Angriffe in Städten wie Raqqa durch. Deswegen muss unser Kampf gegen den IS ohne Pause weitergehen. Auch wenn er physisch am Ende ist, muss er ideologisch weiter bekämpft werden. Das wichtigste ist, dass die Region sicher bleibt und ihre Stabilität gewahrt wird. Das wird zu einer Demokratisierung Syriens beitragen.“

„Der türkische Staat hat zur Stärkung des IS beigetragen“

Weiter erklärte die MSD-Vorsitzende: „Es hat keinen einzigen gegen türkischen Staat gerichteten Angriff von Rojava aus gegeben. Im Gegenteil, immer wieder hat der türkische Staat uns angegriffen. Nach der Rückzugsentscheidung der USA hat die Türkei ihre Drohungen gesteigert. Jetzt fordert sie eine von ihren Kräften kontrollierte Sicherheitszone. Wenn die Türkei von einer Sicherheitszone spricht, bedeutet das nichts anderes als eine Besatzung von ganz Rojava. Der Beitrag des türkischen Staats zur Stärkung des IS ist groß. Die türkischen Grenzen waren die Einfallsschleusen für den IS.

Der türkische Staat behauptet, er würde den Terror bekämpfen. Er betrachtet jedoch die QSD, die gegen den IS kämpfen, als Terroristen. Eigentlich ist jeder Kurde im Auge des türkischen Staats ein Terrorist. Er will nicht, dass sich die Kurden selbst verwalten und einen eigenen Willen haben. Sehen Sie sich an, wie in der Türkei, einem Land, in dem 20 Millionen Kurdinnen und Kurden leben, die mit sechs Millionen Stimmen gewählten Abgeordneten der HDP angegriffen und ins Gefängnis gesteckt werden.

Im Moment befinden sich hunderte Menschen seit Monaten im Hungerstreik, aber der türkische Staat tut so, als wäre nichts. Das Problem ist kein Terrorproblem, es geht um die Erlangung der natürlichsten Grundrechte für die kurdische Bevölkerung. Abdullah Öcalan befindet sich in verschärfter Isolationshaft. Er ist aller Rechte beraubt. So wird auch mit dem kurdischen Volk umgegangen. Jetzt wird mit einem Angriff auf Rojava gedroht. Sollte diese Invasion stattfinden, werden unzählige Menschen in die Flucht getrieben. Der IS wird die Gelegenheit nutzen, sich zu reorganisieren. Es wird einen neuen IS geben.“

Die zweistündige Veranstaltung endete mit einer Frage-Antwort-Runde.