Die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg hat in großer Einmütigkeit einem gemeinsamen Antrag der Linkspartei, der Partei Bündnis 90/Die Grünen und der SPD zugestimmt, eine Städtepartnerschaft mit der nordsyrischen Stadt Dêrik einzugehen.
Die Piratenpartei und die FDP schlossen sich dem Antrag an und selbst aus der CDU gab es keine Gegenstimme, lediglich eine Enthaltung. Elke Dangeleit von der Linksfraktion, auf deren Initiative der Antrag und die Gründung des Städtepartnerschaftsvereins zurückgeht, betonte in ihrer bewegenden Rede den parteiübergreifenden Charakter einer solchen Partnerschaft, mit der ein praktisches Zeichen für den Frieden und solidarisches Miteinander über alle Grenzen hinweg nach innen und außen gesetzt werden soll.
Mit diesem Beschluss des Bezirksparlaments ist Friedrichshain-Kreuzberg die erste Kommune in Deutschland, die eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Nordsyrien eingeht.
Partnerstadt Dêrik
Dêrik liegt im Dreiländereck von Türkei, Irak und Syrien in der Nähe des Flusses Tigris. Die Stadt hat etwa 26.000 Einwohner*innen und ist multireligiös und multiethnisch geprägt. Aktuell leben dort Kurd*innen, Araber*innen, Ezid*innen und Aramäer*innen friedlich miteinander. Wie in allen Städten des vom sogenannten Islamischen Staat (IS) und dem Assad-Regime befreiten Nordsyrien spielt die Gleichberechtigung der Geschlechter eine große Rolle. So ist zum Beispiel das Bürgermeisteramt mit je einer Frau und einem Mann besetzt, die als gleichberechtigtes Team die Stadt verwalten.
Im Herbst 2017 wandten sich die Bürgermeister*innen von Dêrik über den Städtepartnerschaftsverein Friedrichshain-Kreuzberg - Dêrik e.V. an die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin mit dem Vorschlag, eine Städtepartnerschaft anzustreben. Sie nahmen darin Bezug auf die Gemeinsamkeiten der Städte: multikulturell, multiethnisch, und solidarisch im Umgang mit Geflüchteten. Der Städtepartnerschaftsverein wurde per BVV-Beschluss vom 20. September 2017 mit der Vorbereitung der Partnerschaft beauftragt. Durch gut besuchte Film- und Informationsveranstaltungen über die Region machten der Verein das Anliegen aus Dêrik publik.
Was hat der Städtepartnerschaftsverein bisher erreicht?
Im Oktober 2018 fuhr eine erste Delegation des Vereins nach Dêrik, konnte persönliche Kontakte aufnehmen und erste Kooperationsprojekte auf den Weg bringen.
In Dêrik gibt es ein großes Flüchtlingscamp (Camp Newroz) mit Ezid*innen aus dem Hauptsiedlungsgebiet Şengal im Nordirak, die im August 2014 vor dem IS geflüchtet sind. Heute kommen aber auch mehr und mehr Geflüchtete aus dem von der Türkei annektierten Efrîn. Die Bürgermeister*innen bemühen sich - trotz des Embargos der Türkei, der südkurdischen Regionalregierung und der syrischen Regierung - den Geflüchteten ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Auf Wunsch der Bewohner*innen der Verein zu Weihnachten in einer Spendenaktion 2500€ für die Einrichtung einer Nähwerkstatt in dem Flüchtlingscamp gesammelt.
In enger Kooperation mit der Stadtverwaltung wurde ein erstes Begrünungsprojekt gestartet: die Wiederaufforstung eines ausgetrockneten Flussbettes und die Anlage von Nachbarschaftsgärten. Über die Nord-Süd-Stiftung bekam der Städtepartnerschaftsverein Friedrichshain-Kreuzberg - Dêrik e.V. hierfür Mittel vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bewilligt.
Die Landesentwicklungszentrale (LEZ) bewilligte außerdem weitere BMZ-Mittel, damit eine Delegation aus Dêrik einen Gegenbesuch durchführen kann. Im Frühjahr werden nun die Bürgermeister*innen und Vertreter*innen der Stadtverwaltung im Bezirk erwartet. Mit einem gemeinsamen Festakt soll dann die Städtepartnerschaft von den Bürgermeister*innen der beiden Kommunen beurkundet werden.
Hoffnung für den Mittleren Osten und darüber hinaus
„Mit dieser Städtepartnerschaft möchten wir ganz praktisch unsere Solidarität ausdrücken mit der überwiegend kurdischen Bevölkerung in dieser Region, die einen hohen Blutzoll im Kampf gegen den IS gezahlt hat und ihre Bemühungen unterstützen, in Nordsyrien - trotz der Drohungen der türkischen Regierung mit einer Militärinvasion (wie in Afrin geschehen) - eine demokratische, gleichberechtigte und ökologische Selbstverwaltung zu gestalten. Umgekehrt möchten wir von diesem in der Region einzigartigen, multiethnischen, multireligiösen und basisdemokratischen Modell lernen und hoffen, dass ein problemloser Besuch und gegenseitiger Austausch bald möglich ist. Es gibt auch schon Bestrebungen von Betrieben und Kollektiven aus Friedrichhain/Kreuzberg, eigene Partnerschaften mit Projekten und Kooperativen in Dêrik aufzubauen, um auf diese Weise die Städtepartnerschaft weiterzuentwickeln“, teilte der Berliner Verein am Donnerstag mit.
In Frankfurt, Oldenburg, Tübingen, Nürnberg und Herford/Löhne gibt es ebenfalls Initiativen, Städtepartnerschaften mit Städten in der „Demokratischen Föderation Nord- und Ostsyrien“ abzuschließen.