Bundesregierung fordert Anwaltsbesuche auf Imrali

Die Bundesregierung hat sich erstmals gegen die Isolation auf der Gefängnisinsel Imrali gestellt und sich den Forderungen des Antifolterkomitees CPT angeschlossen, Anwalts- und Familienbesuche bei Abdullah Öcalan zu ermöglichen.

Die Bundesregierung hat sich den Forderungen des Antifolterkomitees des Europarats (CPT) angeschlossen und die Türkei aufgefordert, Familien- und Anwaltsbesuche auf der Gefängnisinsel Imrali zu ermöglichen. Das geht aus einer Frage der migrationspolitischen Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Gökay Akbulut, hervor. Akbulut hatte die Bundesregierung nach ihrer Beurteilung des Anfang August veröffentlichten CPT-Berichts zur Situation in türkischen Gefängnissen, insbesondere in Bezug auf die Bedingungen auf der Gefängnisinsel Imrali, auf der Abdullah Öcalan inhaftiert ist, gefragt. Das CPT charakterisiert die Beschränkung der Besuchsrechte von Öcalan und seiner Mitgefangenen in dem Inselgefängnis als Rechtsverletzung und bezeichnet die Isolation des kurdischen Repräsentanten als „nicht hinnehmbar“. Der PKK-Begründer ist seit Februar 1999 nahezu totalisoliert auf Imrali und kann praktisch keinen Anwalts- oder Familienbesuch erhalten.

Überraschend deutliche Worte

Für die Bundesregierung erklärte Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: „Die Türkei ist als Mitglied des Europarates zur Einhaltung der Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet. Dies umfasst auch den Umgang staatlicher Stellen mit Inhaftierten. Diese Erwartung macht die Bundesregierung in bilateralen Gesprächen wie auch gemeinsam mit ihren Partnern der Europäischen Union (EU) gegenüber der Türkei nachdrücklich und unmissverständlich deutlich.“

Von überraschender Deutlichkeit ist der zweite Teil der Antwort der Bundesregierung: „Der am 5. August 2020 veröffentliche Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ruft die türkische Regierung dazu auf, Besuche von Verwandten und Rechtsbeistand zu ermöglichen und Beschränkungen des Umgangs der Häftlinge untereinander abzubauen. Die Bundesregierung schließt sich diesen Forderungen an.“

Bundesregierung stellt sich erstmals gegen Imrali-Isolation

Damit hat sich die Bundesregierung zum ersten Mal gegen die Isolation auf Imrali gestellt. Ob dies allerdings mehr als ein Fingerzeig gegen Ankaras Expansionismus und islamistischer Aggression ist, bleibt fraglich. Die Bundesregierung hatte zuvor bereits in einer anderen Antwort die Wurzeln des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der rechtsextrem-islamistischen Milli-Görüş-Bewegung benannt.

Akbulut: Türkei weit entfernt von Rechtstaatlichkeit

In ihrer Kommentierung der Antwort schloss sich Gökay Akbulut ebenfalls den Forderungen des CPT an. Der Bericht zeige, dass die Türkei weit davon entfernt sei, ein Rechtsstaat zu sein. Akbulut fordert eine rechtsstaatliche Behandlung aller in der Türkei aus politischen Gründen inhaftierten Personen. „Die Türkei muss als Mitglied des Europarates die Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention einhalten – auch in Bezug auf Inhaftierte. Abschottungen und Isolationen widersprechen diesen Vorgaben und stellen schwere Menschenrechtsverstöße dar.“

Willkürliche und unmenschliche Behandlung müsse ein Ende haben, führte Akbulut weiter aus. Besuche von Verwandten und des Rechtsbeistandes müssten ermöglicht werden. Dies von der türkischen Regierung zu fordern sollte für alle Demokrat*innen, die sich für Rechtsstaatlichkeit einsetzen, als selbstverständlich angesehen werden. Jedoch mangele es immer noch an internationalem Druck und ausreichende Berichterstattung darüber. „In meiner Funktion im Europarat und dem Deutschen Bundestag werde ich mich mit Nachdruck für die Gewähr der Rechtsstaatlichkeit für die politisch Inhaftierten in der Türkei einsetzen“, sagte Akbulut.