Bayık: Die PKK ist der Geist des kurdischen Volkes

„Die Kurden sind mit dem Geist und dem Bewusstsein der Freiheit ausgestattet. Ohne diesen Geist hätten sie unter den gegebenen Bedingungen wohl kaum ihren Kampf führen können“, sagt der Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der KCK, Cemil Bayık.

In einem Interview mit der Journalistin Esra Mikyaz im Rahmen der Sendung „Ülkeden Özel“ im kurdischen Fernsehsender Medya Haber TV beantwortete der Ko-Vorsitzende des Exekutivrats der KCK, Cemil Bayık, Fragen zum Kampf der PKK der vergangenen 40 Jahre und sprach darüber, was die Zukunft für die kurdische Freiheitsbewegung bereithält. Bayık bewertete in dem Gespräch auch die Auslobung von Kopfgeldern auf Führungskader der PKK durch die USA, die unter anderem ihn selbst betrifft und warnte vor einem „sehr gefährlichen Plan gegenüber dem Vorsitzenden Apo, der PKK und dem kurdischen Volk“. Er werde das Gerücht von einem „neuen Lösungsprozess“ verbreitet, um eine Erwartungshaltung bei den Kurd*innen zu erzeugen und die Mittelklasse zu gewinnen. „Es gibt aber keinen anderen Lösungsweg als den Kampf”, sagte Bayık.

Die kurdische Gesellschaft bezeichnet die Phase vom 9. Oktober 1998 bis zum 15. Februar 1999 als das „internationale Komplott”. Gemeint ist die geheimdienstliche Zusammenarbeit mehrerer Staaten gegen die PKK, die in der Verschleppung ihres Vorsitzenden Abdullah Öcalans mündete. Im Verlauf dieser Zeitspanne wurde Öcalan, Vordenker und wichtigster politischer Repräsentant der Kurdinnen und Kurden, zunächst in Syrien zur persona non grata erklärt, und durchlebte anschließend eine Odyssee durch verschiedene Länder Europas, um schließlich aus der griechischen Botschaft der kenianischen Hauptstadt Nairobi verschleppt und völkerrechtswidrig an die Türkei übergeben zu werden. Im Jahr 2003 wurde ein weiteres Komplott eingeleitet, das auch „Verrats-Kampagne“ genannt wird. Personen, die sich von der kurdischen Bewegung losgesagt hatten, wurden mit Privatflugzeugen aus dem Mittleren Osten nach Europa gebracht und im Rahmen von Anti-Propaganda-Kampagnen eingesetzt. Es war die umfassendste Zerschlagungs-Kampagne seit der Gründung der PKK. Man versuchte so, die Freiheitsbewegung vollständig in den zivilen Bereich zu drängen, ihre Lebensführung zu ‚normalisieren’, den Unterschied zwischen Berg, Dorf und Stadt zu verwischen, um sie auf diesem Weg vollständig auszulöschen.

Kurden bestehen auf das freie Leben

Weder das internationale Komplott noch die vor 15 Jahren eingeleitete Verrats-Kampagne habe dem türkischen Staat Erfolge gebracht, sagt Cemil Bayık und unterstreicht: „Die Kurden haben diese Absichten durchschaut. Sie akzeptieren kein Leben unter den Bedingungen der Sklaverei, sondern bestehen auf ein freies Leben. Das sollte jedem klar sein“.

Für das kurdische Volk gebe es nichts wertvolleres als die Freiheit, denn es sei ein Volk, dem die Sklaverei und eine rassenfanatische Politik auferlegt wurde. „Diese Menschen sind mit dem Geist und dem Bewusstsein der Freiheit ausgestattet. Ohne diesen Geist hätten sie unter den gegebenen Bedingungen wohl kaum ihren Kampf führen können“, meint Bayık und fügt hinzu: „Das internationale kapitalistische System ist ein System, das auf dem Zerfall des Mittleren Ostens und der arabischen und kurdischen Völker fußt. Wenn Sie in Kurdistan die Einheit der kurdischen Gesellschaft bilden und das kurdische Volk befreien wollen, müssen Sie wissen, dass den Kurden eine kapitalistische Moderne gegenübersteht, deren Basis die Staaten des Mittleren Ostens, die Kolonialmächte und sogar die kollaborativen Kurden bilden. Es war eine Organisation notwendig, die einen Widerstand und Kampfstil für seine Militanten formte, der all dem entgegenwirken konnte. Nur so konnte sich der Kampf für ein freies Leben und eine Freiheitsbewegung entwickeln, die sich den Angriffen des Systems und gewisser Kräfte widersetzte.”

Jeder erfolglose Aufstand führte zum Bruch in der Gesellschaft
In der Geschichte Kurdistans flammten immer wieder Aufstände auf, die nur von kurzer Dauer waren, so Bayık weiter. Jeder erfolglose Aufstand habe zu einem weiteren Bruch in der kurdischen Gesellschaft geführt. Dieser Zustand ermutigte die herrschenden Mächte bei ihren Absichten, das kurdische Volk auszulöschen: „Dieses Denkmuster musste durchbrochen werden. Es war notwendig, aus der Vergangenheit seine Lehren zu ziehen, um die kurdische Gesellschaft neu zu gestalten und sie zu organisieren, damit sie sich dem Kampf zuwendet“. Der kurdische Vordenker Abdullah Öcalan habe dies getan. „Diejenigen, die meinten, Kurden seien nicht im Stande aufzubegehren, sehen sich jetzt einer kurdischen Gesellschaft gegenüber, die unter allen Umständen Widerstand für ihre Freiheit leistet. Sie sahen, dass diese Gesellschaft die Philosophie des Todes ablehnte und ein Paradigma des Lebens entwickelte, um sowohl für sich selbst als auch für all die anderen unterdrückten Völker zu kämpfen. Als diese Tatsache realisiert wurde, setzten intensive Angriffe ein. Diese Kräfte meinten wohl, mit diesen Angriffen das Aufbegehren des kurdischen Volkes niederzuschlagen, aber sie haben sich getäuscht. Mit jeder Attacke reagierten die Kurden mit noch einem entschlosseneren Widerstand. Statt Ergebnisse für sich einzufahren, war es das kurdische Volk, das Errungenschaften erzielte. Heute genießen die Kurden hohes Ansehen im Mittleren Osten. Sie sind überall auf der Welt eine Hoffnung für solche geworden, die Widerstand leisten und für Freiheit und Demokratie kämpfen.“

Öcalan, die PKK und das kurdische Volk haben das Ruder herumgerissen

Auch die These, das internationale Komplott könne erfolgreich sein, habe sich als falsch erwiesen, so Bayık weiter. Öcalan, die PKK und das kurdische Volk hätten das Ruder herumgerissen und grundlegende Entwicklung durchlaufen. Bemühungen, wonach die kurdische Freiheitsbewegung geschwächt und neutralisiert werden sollte, schlugen fehl: „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem unsere Bewegung nicht nur in Kurdistan, sondern im gesamten Mittleren Osten an enormer Kraft dazu gewonnen hat. Für sozialistische Bewegungen, Frauenbewegungen und Kräfte, die Freiheit und Demokratie fordern, ist sie auf internationaler Ebene zu einer Quelle der Hoffnung geworden. Ihr Kampfgeist ist ansteckend und regt dazu an, Widerstand zu leisten”.

Die Köpfe des Komplotts seien sich über die für sie bedrohliche Lage im Klaren. Die Auslobung von Kopfgeldern auf Führungskader der PKK durch die USA sei nur eine Reaktion darauf. „Hier wird beabsichtigt, den Weiterentwicklungsprozess der kurdischen Bewegung zu torpedieren. Aber wie schon gesagt, werden diese Pläne wie es bereits im Jahr 2003 der Fall war, ins Leere laufen. Heute ist die PKK zur gesamten kurdischen Gesellschaft vorgedrungen. Sie ist ihre Seele, ihr Hirn und ihre Zukunft. Eben aus diesem Grund sagen Kurden: ‚Die PKK ist das Volk’. Daher ist es unmöglich, die PKK zu eliminieren, sie kann nicht zerschlagen oder ausgelöscht werden. Die PKK ist keine kleine Bewegung mehr; sie ist ein Volk.”

Morgen: Es gibt keinen anderen Lösungsweg als den Kampf!