Bachelet: Verantwortung für Kriegsverbrechen liegt bei Ankara

Die UN-Kommissarin Michelle Bachelet ist „besorgt” über ein „alarmierendes Muster schwerwiegender Rechtsverletzungen” in den türkischen Besatzungszonen Syriens. Von Ankara fordert sie eine „unabhängige Untersuchung” der dokumentierten Kriegsverbrechen.

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat „Besorgnis“ über die menschenrechtliche Situation in den türkischen Besatzungszonen in Syrien geäußert. Die Lage in Teilen Nord-, Nordwest- und Nordostsyriens, die „unter der Kontrolle türkischer Streitkräfte und verbündeter bewaffneter Gruppen” stehen, sei „düster“, Gewalt und Kriminalität seien weit verbreitet, sagte Bachelet am Freitag in Genf. Zwar dauerten die Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie Repressalien gegen die Zivilbevölkerung in allen Regionen Syriens an. Doch das UN-Menschenrechtsbüro habe in den letzten Monaten insbesondere in den türkischen Besatzungszonen ein „alarmierendes Muster schwerwiegender Verletzungen” festgestellt, unter anderem in Efrîn (Afrin), Serêkaniyê (Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad), wo vermehrt Tötungen, Entführungen, unrechtmäßige Überführungen von Menschen, Beschlagnahmungen von Land und Eigentum und gewaltsame Vertreibungen dokumentiert wurden, so Bachelet.

„Unter den Opfern befinden sich Menschen, die als Verbündete der gegnerischen Parteien oder als kritisch gegenüber den Aktionen der mit der Türkei verbundenen bewaffneten Gruppen wahrgenommen werden”, sagte die UN-Kommissarin. Zu ihnen gehörten auch Menschen, die als wohlhabend genug angesehen werden, um Lösegeldforderungen zu bezahlen. „Hinzu kommt, dass die zunehmenden Machtkämpfe zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen, die der Türkei angehören, über die Aufteilung der Macht, bei denen die Sicherheit der örtlichen Bevölkerung kaum berücksichtigt wird, weiterhin Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern und die zivile Infrastruktur beschädigen”, so Bachelet.

Laut dem Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen sind im Zeitraum zwischen dem 1. Januar und 14. September mindestens 116 Zivilist*innen in den ehemals selbstverwalteten Gebieten Nordsyriens durch improvisierte Sprengkörper, die von „nicht identifizierten Tätern” verwendet wurden, und durch explosive Kampfmittelrückstände ums Leben gekommen. Unter den Getöteten befanden sich fünfzehn Frauen und 22 Minderjährige. Etwa 463 Zivilist*innen wurden verletzt, erklärte Bachelet. Das UN-Menschenrechtsbüro dokumentierte auch die Entführung und das Verschwinden von Menschen aus der Zivilbevölkerung, darunter Frauen und Kinder, neben anderen schweren Menschenrechtsverletzungen. Das Schicksal einiger dieser Gefangenen und Entführten ist nach wie vor unbekannt.

„Ich erinnere alle Konfliktparteien in Syrien daran, dass der Schutz des zivilen Lebens unter allen Umständen von höchster Bedeutung bleibt. Die eklatante Missachtung der Sicherheit der Zivilbevölkerung verstößt gegen die Menschenrechtsgesetze und die Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht, die alle Parteien, einschließlich der bewaffneten Gruppen und derer, die Kontrolle über sie ausüben, respektieren müssen”, sagte Bachelet. Die Türkei forderte die UN-Kommissarin auf, das Völkerrecht zu respektieren und dafür zu sorgen, dass Verstöße, die von bewaffneten Gruppen „unter der effektiven Kontrolle der Türkei begangen werden”, beendet werden. Die Menschen, die in den vom türkischen Staat besetzten Gebieten leben und deren Rechte verletzt wurden, haben Anspruch auf „Schutz und einen Rechtsbehelf”, so Bachelet. „In diesem Zusammenhang fordere ich die Türkei dringend auf, unverzüglich eine unparteiische, transparente und unabhängige Untersuchung der von uns überprüften Vorfälle einzuleiten, Rechenschaft über das Schicksal der von den angeschlossenen bewaffneten Gruppen festgenommenen und entführten Personen abzulegen und die Verantwortlichen für das, was in einigen Fällen auf Verbrechen nach dem Völkerrecht, einschließlich Kriegsverbrechen, hinauslaufen kann, zur Rechenschaft zu ziehen”, sagte die UN-Kommissarin. Dies sei vor dem Hintergrund beunruhigender Berichte, wonach einige Gefangene und Entführungsopfer nach ihrer Inhaftierung in Syrien durch angeschlossene bewaffnete Gruppen in die Türkei überstellt worden sein sollen, umso wichtiger.

Michelle Bachelet äußerte sich auch besorgt über den Einsatz von Wasser und Strom als Waffe. Der Türkei angegliederte bewaffnete Gruppen, die das Wasserkraftwerk Allouk bei Serêkaniyê kontrollieren, haben wiederholt die Wasserversorgung unterbrochen. Dies hatte zur Folge, das bis zu eine Million Menschen im Großraum Hesekê und den umliegenden Gebieten von der Wasserversorgung abgeschnitten waren, darunter auch Binnenvertriebene und andere Schutzsuchende in den verschiedenen Camps. Den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) warf Bachelet wiederum vor, die Stromzufuhr zur Pumpstation Allouk behindert zu haben. Sie mahnte an, dass die Zerstörung oder Entfernung von Anlagen wie Wasserwerken, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unentbehrlich sind, gegen das Völkerrecht verstößt. „Die Behinderung des Zugangs zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Strom gefährdet das Leben einer großen Zahl von Menschen. Es handelt sich um eine Gefahr, die im Kampf gegen eine globale Pandemie besonders akut ist”, sagte Bachelet.