Wahlkampf türkischer Politiker in Deutschland wird fortgesetzt

Trotz Verwarnung durch die Bundesregierung setzen türkische Regierungspolitiker ihre Wahlkampfauftritte in Deutschland fort. Der Journalist Eren Güvercin hat seit September über hundert Auftritte in Moscheen und Vereinshäusern dokumentiert.

Vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, die im Mai in der Türkei stattfinden sollen, sind führende Köpfe der AKP/MHP-Regierung unter Missachtung der Vorgaben der Bundesregierung in Deutschland auf Wahlkampftour. Öffentlich bekannt wurden diese Aktivitäten nach dem Auftritt des AKP-Abgeordneten Mustafa Açıkgöz am 13. Januar in einer Moschee in Neuss, der seine Anhänger zur Vernichtung von Oppositionellen aus der PKK und der Gülen-Gemeinde aufgerufen hatte. Das Ausmaß von Wahlkampfveranstaltungen der türkischen Regierungspartei in Deutschland ist jedoch offenbar viel größer als allgemein bekannt.

Wie die „Welt“ berichtet, hat der Kölner Journalist Eren Güvercin seit vergangenem September mehr als 100 Auftritte türkischer Regierungspolitiker in Moscheen und Vereinshäusern in Deutschland dokumentiert. „Was hinter verschlossenen Türen besprochen wird, dringt selten nach außen. Und wenn es das doch tut, sind es erschütternde Einblicke wie am 13. Januar in Neuss: Damals sprach der AKP-Abgeordnete Mustafa Acikgöz in einer Moschee, die den rechtsextremen ,Grauen Wölfen' zugerechnet wird, davon, Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der in der Türkei als Terrororganisation geltenden Gülen-Bewegung, ,zu vernichten'. Man müsse diese ,aus den Löchern herausziehen, in die sie gekrochen sind' – auch in Deutschland“, heißt es in dem Artikel.

Ausländischer Wahlkampf in Deutschland reglementiert

In der Bundesrepublik sind seit 2017 Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker:innen drei Monate vor der Abstimmung verboten. Anlass für die Neuregelung waren Auseinandersetzungen in Deutschland im Vorfeld des türkischen Verfassungsreferendums. Außerhalb der Wahlkampfzeiten müssen seitdem alle politischen Auftritte ausländischer Regierungsvertreter:innen zehn Tage vorher beantragt und von der Bundesregierung genehmigt werden.

Nach den Mordaufrufen des AKP-Politikers Açıkgöz in Neuss hatte das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter „zu einem Gespräch eingeladen“ und erklärt: „Auftritte wie der eines türkischen Abgeordneten in Neuss dürfen sich nicht wiederholen.“ Man habe „unmissverständlich in Erinnerung gerufen, dass ausländische Wahlkampfveranstaltungen vorher von uns genehmigt werden müssen“. Wenn sich türkische Vertreter nicht an die Spielregeln hielten, müssten „Konsequenzen“ geprüft werden, so das Ministerium.

AKP-Politiker treten weiterhin in Deutschland auf

Trotzdem haben weiterhin Auftritte führender AKP-Politiker in Deutschland stattgefunden. So traf beispielsweise der türkische Landwirtschaftsminister Vahit Kirişci, der zur „Grünen Woche" in die Hauptstadt gereist war, mehrmals im öffentlichen Raum mit seinen Anhängern zusammen und hielt Reden zu den bevorstehenden Wahlen. Am 20. Januar sprach Kirişci auf einer Tagung der Internationalen Union der Demokraten (UID), der Lobbyorganisation der AKP in Deutschland, unter dem Schlagwort „Jahrhundertprogramm Türkei" über die Wahlversprechen seiner Partei als „Vision 2023".

Der stellvertretende türkische Außenminister Yasim Ekrem Serim, der in der vergangenen Woche zu offiziellen Gesprächen nach Deutschland gereist war, traf sich mit Anführern türkischer faschistischer Gruppen, darunter dem ADÜTDF-Vorsitzenden Şentürk Doğruyol. Die ADÜTDF, der Dachverband der türkischen Nationalisten, der sich als verlängerter Arm der MHP organisiert, wird vom Verfassungsschutz beobachtet.