Türkische Justiz schont IS-Dschihadisten

Der IS-Dschihadist Neil Christopher Prakash ist in der Türkei wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ zu 7,5 Jahren Haft verurteilt worden. Der Australier könnte aber schon in zweieinhalb Jahren freikommen.

Während in der Türkei jede Person, die nicht auf AKP-Linie ist, ihre Freiheit riskiert, geht die türkische Regierung mit Dschihadisten betont nachlässig um. Alle Gefängnisse des Landes sind überbelegt, rund ein Drittel der gut 260.000 Inhaftierten sind sogenannte „Terror-Gefangene“ – also fast ausschließlich oppositionelle politische Gefangene. Zwar verfolgt die Partei des Autokraten Recep Tayyip Erdoğan offiziell eine harte Linie gegen „jegliche terroristische Organisationen“. Dabei stellt sie neben der Gülen-Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen, der vom türkischen Staat für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich gemacht wird, und dem sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) auch die PKK und die demokratische Opposition in eine Reihe. Die pro-kurdische HDP sei der verlängerte Arm der PKK, die republikanische CHP agiere wiederum für die Gülen-Bewegung. Es gebe zwischen diesen Gruppen und Parteien keinen Unterschied, verkündete Erdoğan mehrfach. In der Behandlung allerdings gibt es gewaltige Unterschiede.

In Dutax (Tutak) in der Provinz Agirî (Ağrı) beispielsweise ist vor zwei Tagen ein Wahlkampfhelfer der HDP festgenommen worden. Özgür Öztürk wurde mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt und in Begleitung von Dutzenden Polizisten und Soldaten zum Gerichtsgebäude gebracht. 300 Meter vor dem Gericht musste der HDP-Aktivist aus dem Gefangenentransporter aussteigen und die restliche Strecke zu Fuß laufen. Der Haftrichter erließ Haftbefehl und der Betroffene wurde ins Gefängnis in Patnos überstellt.

Am selben Tag ging in der Stadt Kilis der Prozess gegen den IS-Dschihadisten Neil Christopher Prakash zu Ende. Wegen „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ wurde der 27-jährige Australier mit fidschianischen und kambodschanischen Wurzeln zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. In seiner Urteilsverkündung wies das Gericht allerdings darauf hin, dass Prakash schon in weniger als zweieinhalb Jahren aus dem Gefängnis entlassen werden könnte. Dann hätte er Zweidrittel seiner Haftstrafe abgesessen. Der unter dem Namen „Abu Khaled al-Cambodi“ bekannte Dschihadist war im Oktober 2016 in der Türkei festgenommen worden, nachdem er versucht hatte, die syrische Grenze mit gefälschten Dokumenten zu überqueren. Seitdem sitzt er im Gefängnis von Antep.

Prakash gilt als einer der meistgesuchten Terroristen Australiens. Er wurde in Melbourne geboren und hatte sich 2013 in Syrien dem IS angeschlossen. In den folgenden Jahren tauchte er immer wieder in Propaganda-Videos auf und war in sozialen Netzwerken aktiv, um in Australien Mitglieder für den IS anzuwerben. Zudem rief er Anhänger zu Terroranschlägen in Australien und den USA auf.

Im Mai 2016 hatten australische und US-amerikanische Behörden den Tod des Dschihadisten verkündet. Rund ein halbes Jahr später sollte sich das als falsch erweisen. Australien fordert von der Türkei zwar die Auslieferung Prakashs, hat ihm allerdings im Dezember 2018 die Staatsbürgerschaft aberkannt. Zuvor hatte ein türkisches Gericht im Juli 2018 gegen die Auslieferung Prakashs an Australien entschieden. Was mit dem „gefährlichsten Australier“ nach seiner Haftentlassung geschehen soll, darüber grübelten am Freitag auch die Richter. Der australische Innenminister hatte Ende des Jahres erklärt, Prakash aufgrund einer fidschianischen Staatsbürgerschaft ausgebürgert zu haben – die Regierung in Fidschi bestreitet das allerdings.