PKK-Prozess in Stuttgart-Stammheim fortgesetzt

Im PKK-Prozess in Stuttgart-Stammheim hat Veysel S. eine zwanzigseitige Erklärung abgegeben. Angesichts der türkischen Vernichtungspolitik sei er stolz darauf, im Rahmen seiner Möglichkeiten für Freiheit zu kämpfen, sagte der Angeklagte.

In Stuttgart ist am Donnerstag und Freitag der Prozess gegen vier Kurden und eine Kurdin fortgesetzt worden. In dem Prozess, der bereits am 16. April 2019 eröffnet worden ist, wird den Angeklagten vorgeworfen, Mitglieder einer „terroristischen Vereinigung im Ausland“ gewesen zu sein bzw. diese unterstützt zu haben. Außerdem werden sie der Freiheitsberaubung, versuchten Nötigung und gefährlichen Körperverletzung beschuldigt. Die Anklage der Bundesanwaltschaft basiert maßgeblich auf den Aussagen eines Kronzeugen, der seinen Angaben zufolge für die PKK tätig gewesen sein soll. Veysel S., Agit K. und Özkan T. sind in Stuttgart-Stammheim inhaftiert. Cihan A. und Evrim A. sind aus der Haft entlassen worden.

Veysel S. gab vor Gericht eine zwanzigseitige Erklärung ab, in der er auf die Unterdrückung der Kurden seit dem Osmanischen Reich bis in der heutigen Türkei einging. Ein Blick auf die Geschichte zeige, dass dem kurdischen Volk keine andere Alternative als Assimilation oder Tod zugestanden wurde, erklärte der Angeklagte. Bis zur Gründung der Arbeiterpartei Kurdistan (PKK) sei die kurdische Gesellschaft unorganisiert und eingeschüchtert gewesen. „Um den Terror gegen die Kurden zu vertuschen, hat der türkische Staat die PKK als terroristische Vereinigung eingestuft. Auch einige Staaten bezeichnen die kurdische Befreiungsbewegung und die PKK aufgrund ihrer Eigeninteressen und ihrer Beziehungen zur Türkei als terroristisch“, führte Veysel S. aus. Diese Tatsache sei allgemein bekannt, werde jedoch aufgrund der Interessenpolitik der Staaten ignoriert. Wie bereits in der Vergangenheit würden die Kurden auch heute dieser Politik geopfert. „Aber die Kurden sind nicht mehr die Kurden von früher. Sie haben sich organisiert und sind zu einer ernsten Kraft geworden.“

Veysel S., Mai 2020

Die Kurdinnen und Kurden, die aus politischen Gründen aus der Türkei nach Europa fliehen mussten, setzten ihren Kampf im legalen Rahmen auch hier fort. „In Deutschland leben sehr viele Kurden. Die Widerstandsbewegung gegen die Assimilations- und Völkermordpolitik des türkischen Staates beeinflusst natürlich auch die in Deutschland lebenden Kurdinnen und Kurden. Der türkische Staat verübt seit hundert Jahren einen kulturellen, politischen, sozialen und physischen Genozid am kurdischen Volk. Darauf müssen selbstverständlich auch die hier lebenden Kurden reagieren. Ihr Kampf wird jedoch als Straftat eingestuft und kriminalisiert“, so Veysel S.

Auch er selbst habe angesichts der brutalen Angriffe nicht teilnahmslos bleiben können und er sei stolz darauf, im Rahmen seiner Möglichkeiten für Freiheit zu kämpfen. Die Geschichte des kurdischen Volkes, die er vor Gericht dargelegt habe, sei gleichzeitig seine eigene Geschichte und bestimmend für sein Leben und seine Handlungen.

Auch Evrim A. gab eine Erklärung ab, in der sie darstellte, dass sie die Türkei aufgrund der Unterdrückung des kurdischen Volkes habe verlassen müssen. Aufgrund ihres Glaubens, ihrer Identität und ihrer Sprache habe sie in der Türkei unter ständigem Druck gestanden, daher habe sie ins Exil gehen müssen. „Ich bin hierher gekommen, um ein demokratisches Leben führen zu können, aber ich musste feststellen, dass sich der deutsche Staat gar nicht so sehr von der Türkei unterscheidet“, so Evrim A.

Die Verhandlung wurde auf den 5. November vertagt.