Neue Gefechte zwischen Armenien und Aserbaidschan

Nach einem eintägigen Waffenstillstand gehen die Gefechte an der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan weiter.

Ein weiterer Konflikt im Mittleren Osten droht zu eskalieren. Nach Angaben der Verteidigungsministerien von Armenien und Aserbaidschan kam es am Donnerstagmorgen nach einem eintägigen Waffenstillstand zu erneuten Gefechten. Die Regierungen in Baku und Eriwan beschuldigten sich gegenseitig der Eskalation. Das armenische Verteidigungsministerium meldete, die aserbaidschanische Armee beschieße seit dem frühen Morgen an der nördlichen Grenze „armenische Dörfer mit Mörsergranaten und Haubitzen“. Die Gegenseite beschuldigte Armenien „aserbaidschanische Dörfer mit großkalibrigen Waffen“ beschossen und so die neuen Gefechte ausgelöst zu haben.

Bereits 16 Tote auf beiden Seiten

Bei Grenzgefechten Anfang der Woche wurden elf aserbaidschanische Soldaten, darunter ein General, sowie ein Zivilist getötet. Armenien hat vier Todesopfer zu beklagen. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit 2016.

Alter Konflikt um Bergkarabach

Auch wenn die aktuellen Gefechte in einer anderen Region stattfinden, dreht sich der Konflikt vor allem um die Region Bergkarabach (Arzach). Unter sowjetischer Herrschaft wurde die hauptsächlich von Armenier*innen bewohnte Region Aserbaidschan zugeschlagen. In den achtziger Jahren wurde Bergkarabach von armenischen Guerillagruppen unter Kontrolle gebracht. 1988 weigerte sich die vor ihrem Zusammenbruch stehende UdSSR, Bergkarabach Armenien zu übergeben. Der Konflikt eskalierte. Aserbaidschaner wurden vertrieben und aserbaidschanische Milizen verübten schwere Massaker in Sumgait. Am 27. Februar 1988 wurde in der 290.000-Einwohnerstadt die gesamte armenische Bevölkerung vertrieben oder ermordet. Augenzeugen berichteten, dass die Sicherheitskräfte und die Stadtbehörden trotz Hilferufen nicht eingriffen und so die mordende Menschenmenge weiter anstachelten. Die Zahl der Ermordeten ist weiter umstritten. 1991 erklärte die Region ihre Unabhängigkeit, wurde jedoch international nicht anerkannt. Der Krieg um Bergkarabach endete nach mehr als 30.000 Toten mit einem Waffenstillstand 1994.

Neue Front im Stellvertreterkrieg zwischen Türkei und Russland?

Aserbaidschan gehört zur Einflusssphäre der Türkei und spielt insbesondere im Rahmen der pantürkischen Pläne des MHP/AKP-Regimes eine wichtige Rolle. Insbesondere für die von panturkistischer Ideologie durchdrungene MHP (Graue Wölfe) stellen die „Turkstaaten“ die Grundlage für ein „Turan“ genanntes mythologisches türkisches Großreich dar. Die AKP unterstützt diese Position ebenfalls – vor allem aus neoosmanischer und panislamischer Perspektive. So treffen im Konflikt um Bergkarabach das von der Türkei gestützte Alijew-Regime in Baku und das von Russland unterstützte Armenien aufeinander. Das türkische Außenministerium erklärte prompt zu den Gefechten, Aserbaidschan „mit allen Mitteln im Kampf um den Schutz seiner territorialen Integrität zur Seite zu stehen“. Damit eröffnet die Türkei neben Libyen und Syrien ein neues Konfliktfeld mit Russland.