Kritik an Bundesaußenminister Maas aus Athen

Die griechische Parlamentsabgeordnete Dora Bakoyanni fordert nach seinem Ankara-Besuch eine Erklärung von Bundesaußenministers Heiko Maas: Warum hat er zu den Drohungen seines türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu geschwiegen?

Bundesaußenminister Heiko Maas muss erklären, warum er schwieg, nachdem sein türkischer Amtskollege Mevlüt Çavuşoğlu Griechenland auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Anfang dieser Woche „offen bedrohte“. Das fordert laut einer Meldung des europäischen Medienportals Euractiv die griechische Parlamentsabgeordnete und ehemalige Außenministerin Dora Bakoyanni. „Es kann nicht sein, dass ein Land außerhalb der EU ein Mitgliedsland bedroht und der Außenminister [Deutschlands] nicht darauf reagiert,“ kritisierte die Politikerin der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia.

Maas hatte am Montag bei einem Kurzbesuch in Ankara auf eine rasche Verbesserung der Beziehungen zur Türkei gedrängt. Das Gespräch mit dem türkischen Außenminister Çavuşoğlu erfolgte nach Vorstößen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der nach harten Auseinandersetzungen um Seegrenzen und Gaserkundungen im östlichen Mittelmeer im vergangenen Jahr inzwischen auf eine erneute Annäherung an die EU setzt.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen erklärte Çavuşoğlu: „Wenn Griechenland dabei bleibt, nicht kooperieren zu wollen, dann wird die Verantwortung für jegliche Spannung zwischen unseren beiden Ländern bei Athen liegen.“ Damit deutete er an, falls es zu – gegebenenfalls militärischen – Zwischenfällen kommen sollte, sei Griechenlands Führung dafür verantwortlich. Maas reagierte nicht auf diese Aussage. Das sorgt nun für Ärger in Athen.

„Ich möchte hoffen, dass – weil Türkisch eine schwierige Sprache ist und weil die Übersetzung manchmal lückenhaft sein kann – die Erklärung des deutschen Außenministers sein wird, dass diese Aussage nicht übersetzt wurde. Wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, dann hat Griechenland alles Recht, seine Unzufriedenheit deutlich zum Ausdruck zu bringen,“ sagte Bakoyanni: „Wenn [Maas] verstanden hat, was Çavuşoğlu sagte und daraufhin geschwiegen hat, dann haben wir in der EU das Recht zu sagen, dass dies nicht die Position eines EU-Partners sein darf und kann,“ fügte sie hinzu.

Im vergangenen Jahr war Deutschland während der Konflikte im östlichen Mittelmeer zwischen Athen und Ankara als Vermittler aufgetreten. Berlin setzt traditionell aus geostrategischen Gründen und zur „Flüchtlingsabwehr“ auf eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei. Die selbst von der Bundesregierung eingeräumten Verstöße des türkischen Staates gegen das Völkerrecht und Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) scheinen dem nicht entgegenzustehen.

Anspannungen zwischen Griechenland und Türkei

Seit der Entdeckung reicher Erdgasvorkommen vor Zypern kommt es zu schweren Spannungen um deren Ausbeutung zwischen Ankara auf der einen und Nikosia und Athen auf der anderen Seite. Sowohl die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern als auch die Türkei erheben Anspruch auf die betreffenden Seegebiete und untermauern diesen auch durch die Entsendung von Kriegsschiffen. Im Zuge von Militärmanövern in einem umstrittenen Seegebiet war es im August sogar zu einer Kollision zwischen einem griechischen und einem türkischen Kriegsschiff gekommen.

Griechenland und Zypern bezeichnen das türkische Vorgehen im östlichen Mittelmeer als „Bedrohung des Friedens und der Sicherheit in der Region“ und verlangen wegen der von der EU als illegal erachteten Erdgaserkundungen der Türkei seit längerem schärfere Sanktionen. Ankara wiederum erkennt Zypern nicht an und lehnt eine Beendigung der Erdgassuche vor einer Lösung der Zypernfrage und ohne die Zustimmung der türkischen Zyprioten ab. Zypern ist seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention geteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Die Republik Zypern, die seit 2004 EU-Mitglied ist, beherrscht nur den Süden der Insel.

Die EU-Länder haben im November Sanktionen gegen die Türkei wegen Bohrungen zur Erdgaserkundung im östlichen Mittelmeer um ein Jahr verlängert. Betroffen sind zwei Führungskräfte der staatseigenen Erdölgesellschaft der Türkei (TPAO). Für sie gelten weiter ein EU-Einreiseverbot und Vermögenssperren. Die Bundesregierung präsentiert sich in dem Konflikt seit Monaten als Vermittlerin, setzt ihr ganzes Gewicht de facto für die aggressive Eskalationspolitik des Erdoğan-Regimes ein. Maas war deswegen schon im vergangenen Sommer in beide Länder gereist.