Förderung kurdischer Kultur als „PKK-Aktivität“ verboten

Die Linksfraktion hat die Bundesregierung nach dem Verbot der kurdischen Medieneinrichtungen Mezopotamien-Verlag und MIR-Musik befragt. Die Antworten sind an Dreistigkeit kaum zu überbieten.

Mit Verfügung vom 1. Februar hat das Bundesinnenministerium die auf die Verlegung und den Vertrieb von kurdischer Literatur und kurdischer Musik spezialisierten Medieneinrichtungen Mezopotamien-Verlag und MIR-Musik als angebliche Teilorganisationen der PKK verboten. Am 12. Februar wurden daraufhin die Geschäftsräume der beiden Neusser Kunst- und Kulturvertriebe durchsucht und sämtliches Inventar auf Weisung des Bundesinnenministers Horst Seehofer beschlagnahmt. Die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Simone Barrientos befragte die Bundesregierung nach dem Verbot der kurdischen Verlagshäuser.

Auf fast alle Fragen antwortet die Bundesregierung mit nichtssagenden Floskeln und ausweichend. In einem Punkt wird sie jedoch überraschend klar, indem sie behauptet, MIR-Musik sei von der „PKK-Europaführung“ gegründet worden, um „einen kurdischen Musikmarkt zu entwickeln und diesen im Sinne der PKK nutzbar zu machen.“ Wie auch die Bundesregierung einräumt, wurden bei den Razzien im Februar 50.000 Gegenstände beider Verlage konfisziert. Dabei handelt es sich um den gesamten Bücherbestand, Musik-CDs, Archivmaterial, Instrumente, Geräte aus dem Tonstudio sowie technische Ausrüstungen. Jeglicher Bestand, ob klassische kurdische Musik oder Wörterbücher, wurden als Besitz einer „Teilorganisation der PKK“ beschlagnahmt. Mit diesem Konstrukt kann ein Kochbuch genauso aus dem Verkehr gezogen werden, wie Kindermärchen oder Grammatiken. Solch ein Vorgehen ist bisher vor allem gegen oppositionelle Medien in der Türkei bekannt. An Dreistigkeit ist kaum zu überbieten, dass die Bundesregierung erklärt, die „Beschlagnahme der Gegenstände berührt in keiner Weise den Zugang zu von der PKK unabhängiger kurdischer Kultur.“ Hier wird die Motivation hinter der Repression offensichtlich. Es geht darum, die kurdische Bevölkerung und die Freiheitsbewegung zu trennen.

Die kurdische Aktivistin Roza Serxwebûn erklärt dazu gegenüber ANF: „Der Bundesregierung ist vollkommen bewusst, dass die Renaissance kurdischer Kultur durch den kurdischen Freiheitskampf hervorgebracht wurde und es daher praktisch keine aktuelle, zumindest historisch von der PKK ‚unabhängige kurdische Kultur‘ gibt – das gilt im Übrigen auch für die Kulturschaffenden, die sich von der PKK distanzieren oder sie diffamieren. Der Angriff auf MIR-Musik und den Mezopotamien-Verlag stellt einen Angriff auf die kurdische Kultur im Gesamten dar. Die Verlagshäuser verfügten über das europaweit größte Archiv kurdischer Literatur und Musik. Dieses unschätzbare Wissen verrottet jetzt in den Asservatenkammern der deutschen Polizei. Das ist eine direkte Fortsetzung der kulturellen Vernichtungspolitik des Erdoğan-Regimes.“

Doch nicht nur das. Die Polizei betrachtet Menschen, die bei dem Mezopotamien-Verlag Bücher erworben haben, offensichtlich als potenzielle Straftäter. So hat sie auch die Kundendatenbank des Verlagshauses beschlagnahmt und wertet diese nach Angaben der Bundesregierung nach „strafrechtlich relevantem Verhalten“ aus. Was das bei Bestellerinnen und Bestellern bei einem legalen Verlag sein mag, bleibt das Geheimnis der Behörden.

Die Abgeordnete Simone Barrientos kommentiert die Anfrage: „Die Antwort der Bundesregierung macht deutlich, dass sie kurdische Kultur weder kennt noch schätzt. Stattdessen kriminalisiert sie kurdische Literatur und Musik sowie kurdische Künstler*innen. Durch das Verbot des Mezopotamien-Verlags und MIR-Musik gehen Deutschland zwei Verlage verloren, die kurdische Kultur weitergetragen und mitgestaltet haben.“

Die Antwort auf die Kleine Anfrage kann unter folgendem Link abgerufen werden: Verbot kurdischer Medienhäuser in Deutschland