Vierzig Jahre Krieg haben Billionen Dollar gekostet

Die vierzig Jahre Krieg gegen die kurdische Bewegung haben die Türkei Billionen Dollar gekostet. Das geht aus einer Studie von Izzet Akyol zu den Auswirkungen des bewaffneten Konflikts in der Türkei auf das Wirtschaftswachstum des Landes hervor.

Das Democratic Progress Institute (DPI) hat eine von der norwegischen, irischen und schweizerischen Regierung finanzierte Studie von Izzet Akyol zu den Auswirkungen des bewaffneten Konflikts in der Türkei auf das Wirtschaftswachstum des Landes veröffentlicht.

Akyol gibt in seiner Analyse einen gesellschaftspolitischen Überblick über die politische und wirtschaftliche Rationalisierung in der Türkei und untersucht die Literatur verschiedener anderer Wissenschaftler:innen auf diesem Gebiet. In dem Bericht vertritt er die Auffassung, dass die Türkei bei einer Lösung der kurdischen Frage und einer dauerhaften Befriedung des Landes ein Wirtschaftswachstum in verschiedenen Sektoren erfahren und politische Stabilität erreichen wird.

Der Bericht legt nahe, dass die Türkei in ihrem Kampf gegen die kurdische Bewegung die Sicherheitspolitik der politischen Option vorgezogen hat. Die politische Option sei in „sehr begrenztem Umfang" eingeführt worden, was vor allem auf die offizielle Haltung zurückzuführen sei, die auf „ideologischen Präferenzen" beruhe.

Die Kosten eines generationsübergreifenden Traumas

Der Bericht enthält Beispiele dafür, wie sich der Krieg gegen die Kurd:innen negativ auf die Wirtschaft ausgewirkt hat, zum Beispiel auf ausländische Direktinvestitionen, die Infrastruktur und den Tourismus, und wie er erhebliche menschliche Kosten verursacht hat, nicht nur durch den Verlust von Menschenleben, sondern auch durch ein Trauma, das über Generationen hinweg nachwirkt.

Akyol weist in dem Bericht darauf hin, dass das Pro-Kopf-Einkommen in einer konfliktfreien Türkei um fast 35 Prozent höher wäre als der derzeitige Wert, da die jährliche Wachstumsrate der Türkei, wenn sie sich nicht seit fast 40 Jahren in einem bewaffneten Konflikt befunden hätte, um ein Prozent höher wäre:

„Vergeudete Ressourcen haben die Türkei Billionen von Dollar gekostet. Betrachtet man dieses Wachstum, so ergibt sich folgende Situation: Zwischen 1985 und 2020 beträgt das gesamte volkswirtschaftliche Volumen der Türkei rund 16 Billionen Dollar zu aktuellen Preisen. Wenn man bei der Berechnung davon ausgeht, dass die Ressourcen, die aufgrund der Konflikte jedes Jahr verdunsten (was einem Prozent des gesamten Volkseinkommens entspricht), im Wirtschaftspool verbleiben, sehen wir, dass die Türkei im gleichen Zeitraum ein Volkseinkommen von fast 20 Billionen Dollar hätte erwirtschaften können."

Rationale Flexibilität und Pragmatismus

Nach den wahrscheinlichsten Zahlen, die durch die Umrechnung der Nationaleinkommen aller Jahre seit 1985 auf die Werte des Jahres 2020 ermittelt wurden, geht Akyol davon aus, dass sich der Unterschied in der Wirtschaftsgröße zwischen der „synthetischen Türkei" (ohne Konflikte) und der „Türkei im Konflikt" auf knapp vier Billionen, 200 Milliarden Dollar" im Jahr 2020 beläuft.

Akyol stellte fest, dass die Institutionen und das Regelwerk in der Türkei „einerseits von einem konfliktreichen sozialen Boden genährt werden und andererseits den Grundstein für eine konfliktreiche Politik legen". Dieser Kreislauf führe zu parteiischen und starren Haltungen statt zu pragmatischer und rationaler Flexibilität bei der Festlegung der Politik, so Akyol fest: „Länder wie die Türkei, die Schwierigkeiten haben, ihre sozialen Probleme zu lösen, und ihre Energie auf nutzlose Manöver verschwenden, indem sie Konflikte, für die es politische Lösungen gibt, in Regime- und Sicherheitsprobleme verwandeln, weisen eine geringe wirtschaftliche Wachstumsleistung auf - weit unter ihrer Dynamik und ihrem Potenzial."

Akyol wies darauf hin, dass die direkten Verluste, die durch die Verschärfung von bewaffneten Aktionen und Konflikten verursacht werden, ein außerordentliches Niveau erreicht haben. Weiter machte er auch auf die indirekten Verluste aufmerksam, die durch den „erheblichen Verlust an Flexibilität und politischer und wirtschaftlicher Vorhersehbarkeit in der Türkei verursacht werden“.

Laut Akyol ist eine friedliche Lösung der kurdischen Frage „der Schlüssel sowohl zur Demokratisierung als auch zur Rationalisierung der Türkei. In Anbetracht der vielfältigen Risiken, die die Türkei umgeben, wird man sehen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, in der kurdischen Frage rational zu werden."