Medico International: „EU-Türkei-Deal ein einziges Desaster“

Die Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international gab vor dem Besuch von Bundeskanzlerin Merkel beim türkischen Regimechef Erdoğan eine Erklärung ab, in der sie den „EU-Türkei-Deal“ scharf verurteilte.

Am heutigen Freitag tritt die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Staatsbesuch in Ankara an. Bereits im Vorfeld behauptete das Erdoğan-Regime, nicht genug Geld im Rahmen des „EU-Türkei-Deals“ erhalten zu haben. Es steht zu erwarten, dass das krisengebeutelte Erdoğan-Regime versuchen wird, durch Erpressung mehr Gelder und vor allem eine Unterstützung für seine Besatzungszone in Nordsyrien zu erwirken. Die EU hat sich mit ihrer Abschottungspolitik von der Türkei abhängig gemacht. Die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international fordert daher „ein politisches Programm für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa“ anstelle des EU-Türkei-Deals.

Menschenrechtsverletzungen soweit das Auge reicht“

Ramona Lenz, Referentin für Flucht & Migration bei medico international erklärt: „Das Abkommen aus dem Jahr 2016 ist ein einziges menschen- und asylrechtliches Desaster. Dabei ist vollkommen egal, ob man auf die Zwecke des Abkommens schaut oder auf die Mittel seiner Durchsetzung: Wir sehen Menschenrechtsverletzungen, soweit das Auge reicht. Die Zustände auf den griechischen Inseln, die gefährlichen Übergriffe der türkischen Küstenwache auf Flüchtlingsboote und die Hunderttausenden neuen Flüchtlinge, die Erdogans Krieg gegen die Kurden produziert hat: Das alles hat einen direkten Zusammenhang mit dem Abkommen“, und fährt fort: „Die permanente, öffentliche Verletzung von Menschenrechten ist politisch gewollt: Sie soll Migranten abschrecken.“

Vor wenigen Tagen war im Internet ein Video aufgetaucht, in dem zu sehen ist, wie die türkische Küstenwache ein Boot mit Flüchtlingen auf dem Weg nach Europa rammt und abdrängt. Rund um die Hotspots auf den griechischen Inseln sitzen derzeit über 40.000 Flüchtlinge in hoffnungslos überbelegten Lagern fest, mehr als ein Drittel davon Minderjährige.

Neuaufnahme von Flüchtlingen statt Festhalten an EU-Türkei-Deal

Lenz schreibt hierfür die direkte und indirekte politische Verantwortung der EU zu und sagt: „Anstatt an dem gescheiterten Abkommen festzuhalten, durch das Europa sich auch noch erpressbar gemacht hat, braucht es dringend eine neue politische Grundlage für die Neuaufnahme und Verteilung von Flüchtlingen und Migranten in Europa aus von Krieg und Elend geplagten Regionen. Das Scheitern des Abkommens zeigt, dass sich die Verantwortung Europas weder an Griechenland noch an die Türkei delegieren lässt. Die Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Politik hat keine Zukunft."