Demirtaş: Öcalan hat einen anerkennungswerten Job gemacht

Im Prozess gegen Selahattin Demirtaş hat der ehemalige HDP-Vorsitzende vor einem Schwurgericht in Ankara auf die Rolle Abdullah Öcalans für eine Lösung der kurdischen Frage hingewiesen.

Seit zwei Tagen wird vor dem 19. Schwurgericht Ankara gegen den ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş verhandelt. Der kurdische Politiker befindet sich seit zweieinhalb Jahren als politische Geisel im F-Typ-Gefängnis Edirne und konnte nur über eine Videoliveschaltung an der Verhandlung im Gefängniskomplex Sincan teilnehmen.

Zu seiner Verteidigung erklärte Demirtaş unter anderem:

„2010 und 2011 wurde viele unserer Parteimitglieder durch die Zusammenarbeit der AKP mit der Gülen-Gemeinde verhaftet. Weil wir uns für sie eingesetzt haben, ist uns von den Staatsanwälten der Gemeinde Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen worden und neun Jahre später stehe ich jetzt vor Gericht.

Wer fühlt sich durch Frieden gestört?

Mit Öcalan bestand kein Kontakt. Wir haben dieses Thema zu Newroz und bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Sprache gebracht. Wie gesagt, wer fühlte sich davon gestört? Wer war der Staatsanwalt, der die Anklageschrift im Verfahren zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität erstellt hat? Er war von der Gülen-Gemeinde. In wessen Auftrag ist er aktiv geworden? Vielleicht war ihm selbst nicht einmal bewusst, wem er damit dient. Diejenigen, die ihm die Richtung gewiesen haben, die also forderten, dass die Personen verhaftet werden, die den Namen Öcalans in den Mund nehmen, dass sie auf der Straße geschlagen werden, dass Abgeordneten die Immunität entzogen wird und Journalisten gelyncht oder arbeitslos gemacht werden, das waren die Leute, die Gespräche mit Öcalan verhindern wollten. Warum? Weil die Gespräche in Oslo und später auf Imrali nicht unter ihrer Kontrolle stattfanden. Es war eine Zeit, in der wir als Bürgerinnen und Bürger der Republik Türkei, als Kurden und Türken, als Opposition im gegenseitigen Vertrauen die Entwicklungen vorantreiben wollten. Warum sollte einen Staatsanwalt das stören? Warum stört sich ein Staatsanwalt daran, dass Politikerinnen und Politiker über die Möglichkeit sprechen, dass Frieden im Land einkehrt?

Auch der Staat hat mit Öcalan und der PKK gesprochen

Als ich damals sagte, dass wir auf die Straßen gehen, weil wir die seit sieben Monaten andauernde Folter des Anführers eines Volkes nicht akzeptieren, fanden seit sieben Monaten keine Gespräche mit Öcalan auf Imrali statt. Davor gab es anderthalb Jahre lang einen ununterbrochenen Gesprächsverkehr. An den Oslo-Gesprächen habe ich nicht teilgenommen, ich habe sie von außen verfolgt, aber dieser Staat hat anderthalb Jahre lang mit hochrangigen Vertretern der PKK in Oslo und auf Imrali gesprochen.

Ich frage mich, ob der Staatsanwalt, der heute im Amt ist, ein Verfahren wegen Verherrlichung einer Straftat gegen diejenigen einleitet, die dem Mann die Hand küssen, der dem CHP-Vorsitzenden Kılıçdaroğlu mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat, und Videos und Fotos dazu veröffentlichen.

Öcalan hat einen angesehenen Job gemacht

Ich bin angeklagt, weil ich gesagt habe, dass mit Herrn Öcalan gesprochen werden soll, aber die Küstensicherheitseinheiten, die dem Innenministerium desselben Staates unterstehen, haben die Delegierten meiner Partei nach Imrali im Marmara-Meer gebracht. Wir sind mindestens dreißig Mal zur Gesprächen mit hochrangigen PKK-Vertretern nach Qendîl gereist. All das fand im Wissen, mit der Unterstützung und Zustimmung der Regierung statt.

Wer auch nur einen Tropfen Wasser tragen kann, um das Feuer zu löschen, das Blutvergießen zu stoppen und zum Frieden beizutragen, zeigt eine Haltung, die Ansehen verdient. Öcalan hat mit seinen Beiträgen zum Frieden einen anerkennungswerten Job gemacht. Ich hoffe, dass er die Gelegenheit bekommt, noch mehr zu tun.

Das nennt man Faschismus

Ich soll den Terrorismus verherrlicht haben. Mazlum Doğan ist ein Mensch, der sich im Foltergefängnis von Diyarbakir nach dem Militärputsch von 1980 aus Protest gegen Folter und Unterdrückung selbst verbrannt hat. Wie viele weitere Folteropfer jener Zeit ist er zu einem Symbol geworden. Wenn ich Staatsanwalt wäre, ein Staatsanwalt mit einem Gewissen und Moral, der das Rechtssystem respektiert, würde ich ein Ermittlungsverfahren wegen Verherrlichung von Folter und Putsch gegen den Staatsanwalt einleiten, der das Verfahren gegen mich eröffnet hat.

In der Anklageschrift gegen mich werde ich weniger wegen dem beschuldigt, was ich getan habe, als dessen, was ich nicht getan habe. In der politischen Literatur nennt man das Faschismus. Faschismus bedeutet, wenn Bürger zu einem Verhalten gezwungen werden, obwohl sie sich rechtlich und legal gar nicht verhalten müssen. In diesem Geiste ist die Anklage erstellt worden.“