Trotz Knochenfunden: Bau von Erdoğan-Palast wird fortgesetzt

Auf der Baustelle des Präsidentenpalastes in Xelat bei Bedlîs haben Arbeiter Teile menschlicher Skelette entdeckt. Dennoch wird der Ausbau des Gebäudes, das am Ufer des Wansees am Rande eines historischen Friedhofs errichtet wird, fortgesetzt.

Knapp tausend Jahre alt könnten die menschlichen Knochen sein, die auf der Baustelle des Präsidentenpalastes gefunden wurden, den das Ministerium für Jugend und Sport in Xelat (türk. Ahlat) in der Provinz Bedlîs (Bitlis) für Recep Tayyip Erdoğan errichten lässt. In unmittelbarer Nähe der Baustelle befindet sich ein historischer Friedhof der Seldschuken, einer von 1040 bis 1194 herrschenden türkischen Fürstendynastie, die das Reich der Großseldschuken begründete. Mit ihrem Sieg in der Schlacht von Manzikert im Jahr 1071 gegen die Byzantiner eröffneten die Seldschuken den Weg für die türkische Besatzung von Anatolien. Doch trotz des Knochenfundes wird der Ausbau des Palastes, neben dem auch ein „Volkspark“ angelegt wird, nicht eingestellt. Zuvor hatte schon die Justiz vergeblich versucht, das Bauvorhaben zu stoppen. Der Palast wird am Wansee gebaut, laut dem Verfassungsgericht liegt ein Verstoß gegen das Uferschutzgesetz vor. Das Präsidialamt ignorierte diese Entscheidung jedoch und ließ den Palast von der Firma von Erdoğans Schulfreund Hasan Gürsoy weiterbauen.

Baustelle des Erdoğan-Palastes in Xelat | Fotoquelle: MA

Noch gravirierender als die Tatsache, dass Erdoğan künftig auf den Überresten von Menschen und somit auf dem kulturellen Gedächtnis von Xelat thronen wird, ist allerdings der Vorwurf der Bauarbeiter, dass die gefundenen Knochen mit dem Aushub der Baustelle zu Füllmaterial verarbeitet wurden. Denn nur für wenige Tage seien die Motoren der Bauschinen nach der Entdeckung abgestellt worden – neben menschlichen Knochen wurden offenbar auch Skulpturen und Keramiken ausgegraben und andere archäologisch wertvolle Funde gemacht. Bereits nach einer kurzen Inspizierung musste weitergebaut werden. Die Arbeiter seien von den Verantwortlichen eindringlich gewarnt worden, Stillschweigen über den Vorfall in Xelat zu bewahren.

Funde der Arbeiter, markiert ist ein Schädel

Kurz bevor die Seldschuken über Anatolien herfielen, herrschte von 990 bis 1096 in den Gebieten um Bedlîs, Cizîr (Cizre), Mêrdîn (Mardin), Nisêbîn (Nusaybin), Amed (Diyarbakir), Xarpêt (Elazığ) und Riha (Urfa) die kurdische Dynastie der Merwanî – der Marwaniden. Gut möglich, dass die Knochenfunde sogar aus dieser Zeit stammen. Man wird es vermutlich nie erfahren, da Erdoğan den Bau seines Palastes mit allen Mitteln zu Ende bringen will. Schon nach dem Urteil des Verfassungsgerichts – das höchste Gericht in der Türkei – sagte der AKP-Vorsitzende: „Auch wenn sich gewisse Kreise nicht wohl bei dem Gedanken eines Palastes in Ahlat fühlen oder versuchen, ihn zu verhindern, werden wir unserem Kreis dieses Zelt bescheren. Auch werden wir ein paar Boutique-Hotels neben dem Komplex bauen.“