Razzia in Hamburg: „Gefälligkeit gegenüber Erdoğan“

Nach der morgendlichen Razzia im Kurdisch-Deutschen Kulturzentrum Hamburg haben der Vereinsvorstand und Christiane Schneider von der Hamburger Linksfraktion das polizeiliche Vorgehen verurteilt.

In Hamburg sind heute Morgen die Räumlichkeiten des Kurdisch-Deutschen Kulturvereins in St. Georg durchsucht worden. Nachmittags fand ein Pressegespräch im Verein statt, in dem das polizeiliche Vorgehen als „Gefälligkeitsgeste gegenüber Erdoğan“ scharf verurteilt wurde.

Nach Angaben des Vereinsvorstands soll sich der Hamburger Staatsschutz mit einem Großaufgebot der Polizei in den frühen Morgenstunden gewaltsam Zugang zu den Vereinsräumen verschafft haben. Eine zufällig im Gebäude anwesende Reinigungskraft soll von der Polizei aufgefordert sein, der Durchsuchung als Zeuge beizuwohnen. Diese Person stehe in keinem Zusammenhang mit dem Verein, so der Vorstand.

Bei der Durchsuchung, die laut Polizeiprotokoll auf richterliche Anweisung in der Zeit zwischen 8.10 und 9.20 Uhr stattgefunden hat und dem „Auffinden von Beweismitteln“ aufgrund eines vermuteten Vergehens gegen das Vereinsgesetz dienen sollte, wurden neben dem Schloss der Eingangstür auch Schranktüren aufgebrochen und das Inventar durchwühlt.

Rechtsanwältin Dervishaj kündigt juristische Schritte an

Wie Rechtsanwältin Petra Dervishaj, die den Vereinsvorstand in dem Verfahren juristisch vertritt, gegenüber ANF mitteilte, habe auch sie bisher nur Presseberichten entnehmen können, dass Anlass für die Durchsuchung eine Fahne mit dem Bildnis Abdullah Öcalans sei, die vor Monaten auf einer Demonstration mitgeführt worden sei. „Wenn hier entsprechende Gegenstände aufgefunden worden sein sollten, ist der Straftatbestand eigentlich nur dann erfüllt, wenn diese Fahnen mit dem Konterfei Öcalans in der Öffentlichkeit gezeigt werden. Das Lagern an sich ist nicht strafbar. In rechtlicher Hinsicht dürfen wir also gespannt sein. Wir widersprechen jetzt den Durchsuchungsmaßnahmen, werden Akteneinsicht beantragen und dann sehen, welche weiteren Schritte erforderlich sind.“

NAV-DEM: Juristisch und politisch gegen Kriminalisierung vorgehen

Im anschließenden Pressegespräch erklärte Yavuz Fersoğlu vom Vorstand des „Demokratischen Gesellschaftszentrums der Kurdinnen und Kurden in Deutschland e.V.“ (NAV-DEM), die Repression des deutschen Staates gegenüber kurdischen Einrichtungen sei nicht neu, sondern geschehe tagtäglich. Die Durchsuchung des kurdischen Vereins in Hamburg wenige Tage nach dem Anschlag auf Deniz Naki verweise jedoch auf die deutsche Variante, mit der die Politik Erdoğans fortgesetzt werde. „Das werden wir nicht hinnehmen. Wir werden juristisch und politisch weiter gegen diese Kriminalisierungspolitik angehen.“

Christiane Schneider (MdHB): Nicht hinnehmbar

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Hamburg, Christiane Schneider, übermittelte den anwesenden Vereinsmitgliedern die Solidarität ihrer Fraktion und kritisierte das polizeiliche Vorgehen als unverständlich und unverhältnismäßig: „Es geht um Fahnen, nicht als Fahnen“.

Weiterhin machte Christiane Schneider auf die Bedrohungslage aufmerksam, der Kurdinnen und Kurden in der Bundesrepublik und auch in Hamburg ausgesetzt seien: „Wir wissen ebenso wie die Behörden, dass von den Kurden in Deutschland und gerade auch in Hamburg überhaupt nichts Unfriedliches ausgeht. Sie erfahren zwar viele Provokationen von türkischen Nationalisten, aber von ihnen selbst geht kein Unfrieden aus. Vor diesem Hintergrund ist diese Aktion sehr schwer verständlich.“ Die Polizei habe damit das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit angegriffen, so Schneider weiter. Es stelle sich die Frage, warum die Durchsuchung stattgefunden habe: „Entweder fehlt den deutschen Behörden jegliche Sensibilität gegenüber der Situation kurdischer Menschen in der Bundesrepublik Hamburg oder sie haben sich bewusst für eine Gefälligkeitsgeste gegenüber Erdoğan entschieden, um ihn gnädig zu stimmen und den Deal fortzusetzen, den sie seit Jahren mit ihm gemacht haben. Vielleicht ist es auch beides und das ist für uns als Fraktion DIE LINKE nicht hinnehmbar.“

Samstag Kundgebung in Altona

Im Anschluss an das Pressegespräch wurde zur Teilnahme an einer Kundgebung unter dem Motto „Stoppt den Faschismus in der Türkei“ um 13 Uhr in Altona aufgerufen.