Prokurdisches Engagement: Einreise- und Aufenthaltsverbot für Internationalistin

Die spanische Internationalistin María soll Deutschland verlassen, weil sie eine „Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik“ sein soll. Die Behörden werfen ihr vor, als „Bindeglied zwischen der linksradikalen Szene und der PKK“ aufzutreten.

Wer sich in Deutschland solidarisch mit dem kurdischen Befreiungskampf zeigt, kann schnell Opfer einer Gesinnungsjustiz werden. Die kurdische Befreiungsbewegung gehört zu den größten und aktivsten Spektren der revolutionären Linken auch in Deutschland. Gleichzeitig ist sie von staatlicher Repression betroffen, wie kaum eine andere politische Bewegung. Der Mantel der permanenten und umfassenden Kriminalisierung ist das Betätigungsverbot für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), das am 26. November 1993 erlassen wurde. Ermittlungsverfahren und Anklagen wegen verbotenen Symbolen und Parolen gehören zur Norm, Aktive werden zuhauf mit politischer Repression durch staatliche Institutionen überzogen. Doch nun eskaliert die deutsche Justiz und will offensichtlich ein besonderes Exempel an der Kurdistan-Solidarität statuieren. Bei der betroffenen Person handelt es sich um die Internationalistin María. Sie wurde mit einer Anordnung zur Zwangsausreise und einem Aufenthaltsverbot in Deutschland belegt. Über die Hintergründe informiert die „Grupo Internacional“, der Unterstützungskreis von Freund:innen und Genoss:innen in Solidarität mit María und der kurdischen Freiheitsbewegung:

Internationalismus lässt sich nicht verbieten - Wir stehen zusammen mit María!

Im Oktober 2021 wurde unserer spanischen Genossin und Freundin María von drei Zivilbeamt:innen der Polizeiinspektion Halle ein Bescheid der Ausländerbehörde Magdeburg ausgehändigt. Laut diesem Schreiben wird sie aufgefordert, innerhalb von 30 Tagen das Land zu verlassen. Sie habe ihr Freizügigkeitsrecht als EU-Bürgerin verwirkt. Zusätzlich wird ihr in dem Bescheid ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für 20 Jahre ausgesprochen. Begründet wird diese Maßnahme damit, dass María eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstelle.

Des Weiteren wird sie beschuldigt, sich ohnehin schon zu lange in der BRD aufzuhalten. Es sei nicht zu erkennen, dass sie einer versicherungspflichtigen Arbeit nachgehe, wie sie sich finanziere, dass sie sich aufgrund familiärer Bindungen in Deutschland aufhalte oder über einen festen Wohnsitz in Deutschland verfüge.

Was wird vorgeworfen?

María wird vorgeworfen, dass sie ihren Aufenthalt und ihr Leben in Deutschland ausschließlich dafür nutze, um an politischen Aktivitäten im Zusammenhang mit der kurdischen Freiheitsbewegung in der BRD teilzunehmen oder selbst Aktivitäten dahingehend zu organisieren. In diesem Rahmen trete sie als Bindeglied zwischen der linksradikalen Szene und der PKK (Partiya Karkerên Kurdistanê, dt. Arbeiterpartei Kurdistans) auf.

Seit 2014 sei sie immer wieder durch ihre Teilnahme an Kundgebungen, Demonstrationen und Ähnlichem aufgefallen. Unter anderem im Hambacher Forst oder auf Veranstaltungen und Demonstrationen in Leipzig, Magdeburg oder Berlin. Des Weiteren werden ihr ihre akademischen Fähigkeiten im IT-Bereich sowie ihre guten Kenntnisse der kurdischen Sprache zum Vorwurf gemacht. Diese Fähigkeiten werden als Befähigung, ein Netzwerk aufzubauen und damit als Bindeglied zwischen der linksradikalen Szene der BRD und der kurdischen Freiheitsbewegung zu dienen, gewertet.

Aufgrund ihrer klaren politischen Haltung, die sie in ihrem Leben einnimmt und sich dabei klar gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg stellt, wird ihr eine ideologische Festigkeit vorgeworfen, wodurch keine ersichtliche Abkehr ihrer Aktivitäten zur Unterstützung der kurdischen Freiheitsbewegung zu erwarten sei.

Diese Punkte rechtfertigen laut Ausländerbehörde Magdeburg María für eine Gefahr für die Sicherheit der BRD zu erklären und ihr ein Einreise– und Aufenthaltsverbot für 20 Jahre auszusprechen. Die Dauer einer Maßnahme, die sonst nur bei Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Terrorismus ausgesprochen werden kann.

Neue Stufe der Kriminalisierung der kurdischen Bewegung und der Solidaritätsbewegung

Die sicherheitspolitischen Entwicklungen in Deutschland, wie zum Beispiel die Verschärfung der Polizeigesetze, die zahlreichen §129 a/b-Verfahren¹, die Ausweitung rassistischer Kontrollen und des Überwachungssystems, die Kriminalisierung von linkem, feministischem und migrantischem Aktivismus zeigen, dass mit allen Mitteln versucht wird, emanzipatorische und revolutionäre Bewegungen zu unterbinden. Sie sollen bereits in ihrer Entstehung angegriffen, kriminalisiert und verboten werden. Dabei wird gegen María versucht einen Präzedenzfall zu schaffen, den es in dieser Form in Deutschland bisher nicht gegeben hat. Zum ersten Mal wird von der BRD eine Ausreiseverfügung und Aufenthaltsverbot gegen eine EU-Bürgerin mit der Begründung des politischen Aktivismus im Kontext der kurdischen Freiheitsbewegung erlassen. Somit versucht sich der deutsche Staat eine Tür zu öffnen, politisch Aktive ohne deutschen Pass zu kriminalisieren und bei Belieben abzuschieben.

Allgemein werden in Deutschland aufgrund des PKK-Verbots alle hier lebenden Kurd:innen unter Generalverdacht des „Terrorismus“ gestellt. Dies sehen wir aktuell auch bei den Versuchen, die Initiative „Verbot aufheben“, welche sich für eine Entkriminalisierung der PKK und die Aufhebung des PKK-Verbots einsetzt, zu kriminalisieren. Dass es diesmal eine Internationalistin trifft, stellt einen weiteren Angriff auf die Solidarität mit der kurdischen Freiheitsbewegung dar.

Versuch einen Präzedenzfall zu schaffen

Die BRD zeigt mal wieder, was sie unter Demokratie versteht. Unter dem Vorwand der Prävention und Gefahrenabwehr werden ihre „bürgerlichen Grundrechte“ aufgehoben und María wird indirekt zur Gefährderin für die BRD erklärt. Mit politischer Willkür werden öffentliche, gerechtfertigte und vor allem feministische Aktivitäten, wie die Besuche von der Kundgebung der internationalen Kampagne der kurdische Frauenbewegung „100 Gründe, um den Diktator zu verurteilen“ gegen das Ermorden und Entführen von Frauen und Mädchen oder Kundgebungen zum 8. März, sowie die Teilnahme an Demonstrationen und Veranstaltungen gegen die deutsche Kriegspolitik und für die Freiheit von Abdullah Öcalan, zum Anlass für Kriminalisierung und Verfolgung genommen.

Die Angst des deutschen Staates wird deutlich, indem er mit dem Angriff auf María versucht besonders politische Frauen und die Solidarität mit der kurdischen Frauenbewegung zu kriminalisieren. Aktuell scheinen Frauen immer mehr ein Dorn im Auge des deutschen Staates zu werden. Dies sehen wir an Lina², die seit über einem Jahr in Untersuchungshaft sitzt und an der ein sexistischer Schauprozess geführt wird und an Ella, die für ihren Kampf gegen den Klimawandel inhaftiert wurde.

Der Versuch einen Präzedenzfall zu schaffen, stellt nicht nur eine Gefahr für Internationalist:innen dar, die sich mit der kurdischen Freiheitsbewegung solidarisieren, sondern kann bei Erfolg auch theoretisch auf alle anderen politisch aktiven EU-Bürger:innen in der BRD angewandt werden, deren Residenzstatus angezweifelt wird und die aufgrund ihrer politischen Haltung kriminalisiert werden sollen.

Dass grundlegende Rechte, wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Bewegungs- und Aufenthaltsrecht angegriffen und aufgehoben werden, ist in der BRD gang und gäbe. Deswegen gilt es, sich dagegen zur Wehr zu setzen und gegen diese Entrechtung zu kämpfen!

Solidarität auf allen Ebenen!

Es wird juristischen Widerstand gegen diesen Angriff des deutschen Staates geben, aber ebenso bedarf es einer breiten Öffentlichkeit und Solidarität mit der kurdischen Freiheitsbewegung. Dieser Fall ist nicht einzeln zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit der gängigen Kriminalisierung der Solidarität mit Kurdistan zu sehen. Es geht auch um den generellen Angriff auf revolutionäre und kämpferische Ansätze. Beispielhaft dafür sind die Verurteilungen in Nürnberg, im Rahmen der Prozesse um den Jamnitzer Platz, das Verfahren gegen Dy und Jo, das Antifa-Ost-Verfahren, die Prozesse gegen Aktive des Hambacher Forst und die §129b Verfahren gegen kurdische und türkische Aktive.

Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir entschlossen und gemeinsam Schulter an Schulter stehen und zeigen, dass ein Angriff auf eine, ein Angriff auf uns alle ist. Es kann jederzeit Personen treffen, die sich für ein freies Leben einsetzen. Deshalb sollte dieser Angriff der Funken sein, der das Feuer in unseren Herzen mit voller Kraft nach außen trägt. Organisieren wir unsere Wut und kämpfen wir konsequent für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Denn unsere Leidenschaft für den Kampf um Befreiung ist stärker als ihre Repression.

Solidarität mit María und allen von Repression Betroffenen!

SPENDE:

  • AZADI e.V.
  • IBAN DE80 4306 0967 8035 7826 00
  • BIC: GENODEM1GLS
  • GLS Bank
  • Stichwort: Internationale Solidarität

¹ Wem nach §§ 129a, 129b Strafgesetzbuch vorgeworfen wird, sich an der „Bildung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland“ zu beteiligen, verliert wesentliche Grundrechte. Mit diesem Vorwand lassen sich nahezu jede Überwachungs- und Bespitzelungsmaßnahmen begründen. Seit der Einführung des § 129b StGB können bewaffnete Kämpfe gegen Unterdrückung in Staaten, die im weitesten Sinne mit der BRD verbündet sind, ebenfalls in der BRD kriminalisiert werden.

² Lina gehört zu vier Personen, denen vorgeworfen wird, sich nach § 129 StGB an einer „kriminellen Vereinigung“ beteiligt und an verschiedenen Angriffen auf Neonazis mitgewirkt zu haben. Aktuelle Informationen sowie Hintergründe zum Verfahren erhaltet ihr unter: https://www.soli-antifa-ost.org/