200 Menschen haben heute in Essen lautstark gegen Polizeigewalt, Repression und rechte Strukturen in den deutschen Sicherheitsbehörden demonstriert. Aufgerufen zu dem Protest hatte das NRW-weite Bündnis „Forum gegen Polizeigewalt und Repression“ unter dem Motto „Polizei NRW: Wie viele Einzelfälle braucht es für ein rechtes Netzwerk?“.
Ab 13 Uhr versammelten sich die Teilnehmer:innen vor dem Polizeipräsidium an der Büscherstraße. Nach einer kurzen Auftaktkundgebung, auf der in einem Redebeitrag der Komplex der rechten Strukturen, Nazi-Chatgruppen sowie rassistischer Polizeigewalt innerhalb der Essener Polizei beleuchtet wurde, zog die Demonstration lautstark, vorbei am Justizzentrum, durch Rüttenscheid zum Hirschlandplatz in der Innenstadt. Dort fand von 15 bis 18 Uhr eine inhaltlich breit gefüllte Abschlusskundgebung statt.
Bündnissprecherin Leila Bumke sagt zur heutigen Demonstration: „Wir merken immer deutlicher, dass Polizeigewalt, insbesondere rassistische Polizeigewalt sowie rechte Strukturen in deutschen Sicherheitsbehörden Themen sind, die mehr Menschen zunehmend beschäftigen. Viele können dem Mantra der Einzelfälle nicht mehr folgen und fordern eine gesellschaftliche Aufarbeitung.“
Die Frage „Wie viele Einzelfälle braucht es?“ stand auch auf dem Fronttransparent der Demo
Mutter von Adel B. ebenfalls anwesend
Inhaltlich wurde die abschließende Kundgebung von verschiedenen antirassistischen und antiautoritären Initiativen gefüllt. Zunächst wurde an Mikael Haile und Adel B. erinnert, die in den Jahren 2017 und 2019 von der Essener Polizei erschossen wurden. Die Mutter von Adel B. hielt hierzu einen erschütternden Redebeitrag, der die Umstände die zu Adels Tod führten und vor allem auch den folgenden schwierigen Kampf um eine juristische Aufarbeitung thematisierte. Zusätzlich wurde auf diverse weitere Fälle rassistischer Polizeigewalt in Essen in den letzten Jahren aufmerksam gemacht.
Antischwarzer Rassismus: Historische Verbindungen zur Kolonialzeit
Im Anschluss schilderten mehrere von Rassismus Betroffene schwarze Personen ihre Erfahrungen mit der Polizei, aber auch mit den Rassismen der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft. Sie wiesen auf die historischen Verbindungen zur Kolonialzeit hin und beschrieben auch die heutigen Fluchtursachen, die durch die Kontinuität der Ausbeutung insbesondere des afrikanischen Kontinents verursacht werden.
Stigmatisierung unter dem Negativ-Label der „Clan-Kriminalität“ thematisiert
Neben Polizeigewalt beschäftigte sich die Demonstration auch mit anderen Bereichen der in den letzten Jahren immer autoritäreren „NRW-Sicherheitspolitik“. Ein Redebeitrag arbeitete die restriktiven Verschärfungen des aktuellen CDU-Entwurfs für ein neues NRW-Versammlungsgesetz heraus. Andere schilderten steigende juristische Repression bei Demonstrationen oder im Nachgang von gewalttätigen Polizeieinsätzen. Auch die neue Bewaffnung der Polizei mit Tasern und ihre Auswirkungen wurde thematisiert. In einem persönlichen Erfahrungsbericht wurde die Problematik der Stigmatisierung bestimmter Gruppen mit Migrationsgeschichte unter dem Negativ-Label der „Clan-Kriminalität“ geschildert. Zum Ende gab es noch eine Auflistung der Verstrickung einzelner Sicherheitsbehörden in verschiedenste rechte Machenschaften, die in den letzten Jahren bundesweit öffentlich wurden. Abgerundet wurde der lange Demonstrationstag von thematisch passender Live-Musik und einer Ausstellung zum Thema Polizeigewalt, die auf dem Hirschlandplatz aufgebaut wurde.
Diskussionen mit Versammlungsbehörde um Demonstrationsweg
Im Vorfeld hatte es Diskussionen mit der Versammlungsbehörde um den angemeldeten Demonstrationsweg und vor allem den Ort der Abschlusskundgebung gegeben. „Wir hätten unsere Inhalte lieber an einem belebteren Platz, als dem abseits gelegenen Hirschlandplatz, an eine größere Öffentlichkeit gebracht. Unsere ursprüngliche Anmeldung auf dem Willy-Brandt-Platz und ersatzweise auf dem Kennedyplatz wurde aber von der Versammlungsbehörde abgelehnt. Stattdessen wurde uns vorgeschlagen lediglich eine Kundgebung am Polizeipräsidium abzuhalten. Da hatten wir schon den Eindruck, dass die Polizei wenig Interesse daran hatte, dass wir überhaupt in der Innenstadt demonstrieren können“, erklärt Leila Bumke. Es bleibt für das Bündnis also festzustellen, dass die innerhalb der Polizei angesiedelte Versammlungsbehörde wieder einmal als eigenständiger politischer Player aufgetreten ist und eine bessere Außenwirkung der Demonstration, durch nicht nachvollziehbare Maßnahmen verhindert hat.
Bündnis: Weitere Demonstrationen und öffentliche Aktionen
Das Bündnis „Forum gegen Polizeigewalt und Repression“ wertet die heutige Demonstration dennoch als Erfolg. Trotz Widrigkeiten und mäßiger Wetterprognose sind heute mehr Menschen als erwartet in Essen auf die Straße gegangen. Das Bündnis hatte mit ca. 150 Personen zur Demonstration gerechnet. „Das bestärkt uns darin, uns auch zukünftig klar und öffentlich gegen Rassismus, Polizeigewalt und extrem rechte Gruppierungen innerhalb der Polizei zu positionieren“, so Bumke abschließend. Das Bündnis wird auch weiterhin versuchen Betroffene und politische Initiativen zusammenzubringen und zu bündeln, um eine größere Gegenöffentlichkeit zu schaffen. Sicher wird es auch weitere Demonstrationen und öffentliche Aktionen geben.