Die Besetzung von Efrîn im historischen Kontext – Teil 1

Der erste Teil dieser Serie beschäftigt sich mit der Besatzung der syrischen Stadt Iskenderun durch die Türkei nach dem zweiten Weltkrieg und zieht Parallelen zur aktuellen Lage in Efrîn.

Iskenderun in der Provinz Hatay ist syrisches Territorium, das von der Türkei besetzt worden ist. Die Türkei, die nach dem Sykes-Picot-Abkommen Teil der internationalen Aufteilungspläne war, hatte das Chaos des zweiten Weltkriegs genutzt und Iskenderun besetzt. Unter Vermittlung des Iran und Ägyptens unterschrieb das syrische Regime 1998 die Allianz von Adana und übergab Iskenderun offiziell der Türkei.

Die Türkei versucht nun, das gleiche Szenario wie in Iskenderun in den nordsyrischen Regionen Şehba, Efrîn und Idlib umzusetzen. Vor aller Augen besetzt die Türkei mit Hilfe vermeintlicher Oppositionskräfte gegen das syrische Regime einen Teil Syriens. Trotz dieses absichtsvollen und offenen Völkerrechtsbruchs stimmt die internationale Staatengemeinschaft durch ihr Schweigen zu.

Wie wurde Iskenderun besetzt?

Iskenderun fiel einem 1916 unterzeichneten Geheimabkommen zwischen Frankreich und Großbritannien (Sykes-Picot) zur Aufteilung des Osmanischen Reiches nach dem ersten Weltkrieg zum Opfer. In dem Abkommen wurde Iskenderun, wie auch die anderen Zentren Rojavas und Nordsyriens, Frankreich zugeschlagen. Nach der Kapitulation des Osmanischen Reiches fiel Iskenderun am 20. August 1920 mit dem Abkommen von Sèvres Syrien zu.

Mit der Unterzeichnung des Abkommens von Lausanne zog sich die Türkei vollständig aus Nordsyrien zurück, hat aber ihre Ambitionen in der Region nie aufgegeben. Die Verwaltung von Iskenderun wurde bestimmt und Iskenderun wurde zur 15. Stadt Syriens erklärt. Iskenderun erklärte mit dem Abkommen zwischen Syrien und Frankreich 1936 seine Unabhängigkeit. Der türkische Staat stellte sich gegen die Anbindung Iskenderuns an Syrien und forderte, die Stadt müsse unabhängig bleiben. Frankreich brach das mit Syrien unterzeichnete Abkommen, nach dem Frankreich die Abtrennung eines Teils von Syrien nicht hätte erlauben dürfen.

In dieser Zeit siedelte die Türkei Tausende Türken mit falschen Pässen in Iskenderun an. Die Türkei, die ein Unabhängigkeitsreferendum für Iskenderun durchsetzte, sorgte selbst für dessen opportunen Ausgang.

Frankreich und die Türkei bildeten am 18. Juli 1938 ein gemeinsames Komitee zur Lage in Iskenderun. Dieses Komitee kontrollierte die Wahllisten und annullierte die Stimmen Tausender Syrer. In Folge dessen gewann die türkische Wahlliste erneut. Am 8. September 1938 wurde ein Rat gegründet, der die Loslösung von Syrien forderte.

Der türkische Staat hat die Demografie der Region verändert

Die Türkei begann daraufhin sofort mit der demografischen Umgestaltung der Region und änderte den Namen der Region in Hatay. Die ursprünglichen syrischen Bewohner wurden vertrieben. Die Ausweise der Region wurden annulliert, es wurden ein türkischsprachiges Bildungssystem und eine türkische Währung eingeführt. Die Türkei ging vor, wie sie es heute in Efrîn tut, und verletzte dabei alle internationalen Rechtsnormen. Später sorgte Frankreich in Allianz mit der Türkei dafür, dass aus angeblichen Sicherheitsgründen 2500 türkische Soldaten in die Region verlegt wurden. Die Türkei nutzte die Situation im zweiten Weltkrieg in Europa aus und band Iskenderun offiziell an sich.

Die syrische Regierung gab Iskenderun nicht auf und löschte die Stadt nicht von ihren Karten. Sie trat in lange Dialogprozesse mit der damaligen Regierung Kenan Evrens ein, die allerdings ergebnislos verliefen. Erst der syrische Staatschef Başar al-Assad akzeptierte in einem Abkommen mit der Türkei erstmalig die Zugehörigkeit Iskenderuns zur Türkei.

Die Allianz von Adana

Mit der Allianz von Adana wurden in allen offiziellen Institutionen in Syrien die Landkarten verändert und Iskenderun von der Karte gestrichen. Die Stadt war an die Türkei abgetreten worden. Die Regierungen von Ägypten und Iran nutzten damals die Schwierigkeiten in Syrien und mischten sich in das Geschehen in der Region ein. Der damalige ägyptische Staatschef Hosni Mubarak traf sich am 4. Oktober mit dem türkischen Staatspräsidenten Suleyman Demirel. Die Regierung in Damaskus hatte bereits damals Iskenderun offiziell aufgegeben.

ANHA