„Der türkische Besatzungsplan folgt einem langfristigen Konzept“

Silêman Cafer vom Ezidischen Verband in Syrien weist auf den Zusammenhang zwischen der türkischen Invasion in Südkurdistan, den permanenten Angriffen auf Rojava und der Belagerung von Şengal hin.

Zeitgleich zu der türkischen Invasion in den Guerillagebieten in Südkurdistan und den permanenten Angriffen auf die Autonomieregion in Nordsyrien wird Şengal belagert, das letzte zusammenhängende Siedlungsgebiet der Ezidinnen und Eziden weltweit. Silêman Cafer ist Mitglied des Ezidischen Verbands in Syrien und hat sich als Vertriebener aus Efrîn in Şehba gegenüber ANF zu dem Angriffskonzept gegen Kurdistan geäußert. Er sagt, dass Erdogan sich mit dem Angriff auf die Medya-Verteidigungsgebiete erhofft, zunächst das Qendîl-Gebirge als Zentrum der Guerilla erobern zu können. Anschließend sollen Şengal und Rojava eingenommen werden. Dabei baue der türkische Regimechef auf seine „Freunde“ in der Region.

Die zeitgleichen Angriffe auf die Medya-Verteidigungsgebiete, Şengal und Rojava seien kein Zufall, erklärt Cafer: „Der türkische Staat erfindet vor jedem Angriff einen Vorwand, mit dem er seine grenzüberschreitenden Operationen rechtfertigt. Er sucht sich Unterstützer in der jeweiligen Region und schafft eine Grundlage für die Angriffe. Fast alle Angriffe auf die Kurden finden mit Unterstützung kurdischer Verräter statt. Bei den jüngsten Angriffen auf Şengal gab es nicht nur kurdische Unterstützung, auch die irakische Regierung wurde dazu bewegt.“

Eines der Ziele der türkischen Aggression sei die Belagerung von Rojava, sagt Cafer: „Erdogans Wunschvorstellung bei der Invasion in den Medya-Verteidigungsgebieten ist es, zunächst in Qendîl einzudringen und danach Şengal zu erreichen und Rojava einzukreisen. Dafür braucht er Unterstützung. Der türkische Kriegsminister Hulusi Akar sagt offen, dass die Angriffe mit Hilfe von ,Freunden aus der Region' stattfinden. Wer diese Freunde sind, ist allgemein bekannt. Vor Beginn der Operation im Zap wurde Mesrûr Barzanî [Ministerpräsident der Kurdistan-Region Irak] nach Istanbul zitiert. Dort wurde ein entsprechender Befehl erteilt. Barzanî hat dem Angriff zugestimmt.“

Der Region soll die Luft zum Atmen genommen werden“

Cafer fragt: „Was wollen Mustafa al-Kadhimi [Ministerpräsident des Irak] und die kurdische Regionalregierung von Şengal?“ Er fährt fort: „Mit dem Bau einer 245 Kilometer langen Grenzmauer sollen Şengal und Rojava voneinander getrennt werden. Der Region soll die Luft zum Atmen genommen werden. Şengal verwaltet sich seit 2015 autonom. Das vom türkischen Staat erwünschte Şengal-Abkommen zwischen al-Kadhimi und der PDK soll mit Gewalt durchgesetzt werden.“ Das besagte Abkommen wurde am 9. Oktober 2020 unter internationaler Aufsicht in Bagdad unterzeichnet. Der genaue Wortlaut ist nicht bekannt, die Vereinbarung sieht die Zerschlagung der nach dem IS-Genozid von 2014 aufgebauten Verteidigungskräfte vor.

Silêman Cafer weist darauf hin, dass der türkische Besatzungsplan einem langfristigen Konzept folgt und auf der Unterstützung der KRI-Regierung basiert: „Die Föderalregierung Kurdistans sollte sich besinnen. Der türkische Staat wird die kurdischen Interessen niemals berücksichtigen. Wir müssen uns gemeinsam gegen die Besatzung wehren und die bereits besetzten Gebiete befreien.“