Deal zwischen Irak, Syrien und Türkei zur Vernichtung der Kurden

Angesichts des Regierungswechsels in den USA wappnet sich die Türkei gegen mögliche Sanktionen. Die außenpolitische Mäßigung widerspricht der zunehmenden Totalisierung im Inland und der Vernichtungspolitik gegen die Kurden.

Es scheint noch nicht ganz klar zu sein, welchen Weg die neue Führung in den USA in ihren Beziehungen zur Türkei einschlagen wird. Die ersten Signale sind nicht gerade ein Anlass zur Hoffnung. Die türkische Regierung hat bereits damit begonnen, sich gegen mögliche Sanktionen zu wappnen. Nachdem Drohgebärden und außenpolitische Aggression nicht die erwünschten Ergebnisse erzielt haben, sucht der türkische Staat vor den Toren Europas nun erneut den Dialog. Der Wille zur Öffnung einer neuen Seite und zur Normalisierung der Beziehungen kommt gegenwärtig wieder des öfteren zur Sprache. Auch wenn es nur Augenwischerei ist, fallen sogar wieder Begriffe wie „Reform“. Diese Mäßigung in der Außenpolitik widerspricht der zunehmenden Totalisierung im Inland.

Die Signale, die der Welt gegeben werden, widersprechen komplett dem Vorgehen gegen die Kurdinnen und Kurden. In der Genozidpolitik gegen die Kurden gibt es keinerlei Lockerungen und die Suche nach neuen Angriffsplänen wurde erweitert. Gleich zu Beginn des neuen Jahres 2021 brachen der türkische Verteidigungsminister und der Generalstabschef nach Bagdad und Erbil auf. An erster Stelle auf ihrer Tagesordnung standen Şengal und Mexmûr. Dass der türkische Staat einen militärischen Eingriff plant, hörten wir sogar ungeniert aus dem Munde von Diktator Erdogan persönlich. Auch wenn keine Details der Gespräche mit der Regierung in Bagdad bekannt wurden, hat der AKP-Medienpool bereits begonnen, Şengal zu thematisieren. Kommentatoren ereifern sich in TV-Sendungen inzwischen schon über die möglichen Folgen einer Intervention in Şengal und manipulieren damit die öffentliche Wahrnehmung.

Die Angriffe des türkischen Staates in Şengal halten seit langem an. Auch die Berechnungen der PDK zu Şengal und ihre diesbezüglichen schmutzigen Deals sind kein Geheimnis. Der türkische Staat und die PDK agieren in diesem Punkt gemeinsam. Das Ziel ist es, die Souveränität des ezidischen Volkes zu brechen und es erneut unter die Kontrolle der PDK zu stellen. Auch die Regierung in Bagdad ist damit gewissermaßen einverstanden. Die USA und die UN sind aufgrund ihrer Gegnerschaft zu Hashd al-Shaabi und dem Iran zu Partnern des Şengal-Abkommens vom 9. Oktober 2020 geworden. Es ist offensichtlich, dass für Şengal umfangreiche Pläne gemacht werden. Die schmutzigen Verhandlungen über die ezidische Gemeinschaft hinweg haben eine neue Dimension erreicht. Der türkische Staat will direkt selbst angreifen. Als Begründung wird die Existenz der PKK herangezogen. Das eigentliche Ziel ist jedoch die erneute Annexion der Gebiete innerhalb der „Misak-ı Milli“-Grenzen durch den türkischen Staat. Einen ähnlichen Plan gibt es für das Flüchtlingscamp Mexmûr. Für die Umsetzung dieser Pläne verharrt die PDK in Kriegsposition und stellt mit diesem Druckmittel weiterhin eine Gefahr für die PKK dar.

Wie für Şengal besteht auch für Rojava die Gefahr eines Angriffes. Rojava ist sogar viel umfangreicher zur Zielscheibe gemacht worden. Einerseits über den ENKS, andererseits durch tägliche Angriffe auf Ain Issa soll die demokratische Selbstverwaltung in Rojava vernichtet werden. Russland nutzt die Angriffe und Drohungen des türkischen Staates als Erpressungsmittel und drängt die Selbstverwaltung, die Präsenz des syrischen Regimes in Rojava erneut zu stärken. Rojava ist zu einer Region geworden, die Russland, die Türkei, das syrische Regime und die USA an sich reißen wollen. Auch wenn der türkische Staat dem Anschein nach ein Gegner des Regimes in Damaskus ist, führt er bekanntlich im Hintergrund Gespräche mit Syrien. Wenn seine Besatzungspläne nicht aufgehen, zieht er ein Rojava unter der Kontrolle des Regimes einem selbstverwalteten Rojava vor. Er akzeptiert die Kontrolle des Assad-Regimes, aber nicht die Selbstverwaltung. Für ihn ist die Hauptsache, dass die kurdischen Errungenschaften zerstört werden.

Die Kurden-Politik des türkischen Staates vertieft die Konflikte in der Region und macht die Kriege endlos. Dass diese chaotische Lage aufrecht erhalten bleibt, ist ein Zustand, den auch die äußeren Mächte wollen. Sie ernähren sich von diesem Zustand der Widersprüche und Kriege und wollen damit ihren politischen und militärischen Einfluss vergrößern. Statt langfristige Lösungen zu produzieren, folgen sie ihren Eigeninteressen. Indem sie die Besatzung von Rojava ermöglichten, haben sie neue Probleme erschaffen. Das gegenwärtig für Şengal geplante Szenario ist ähnlich. Das Ziel ist die Schaffung einer Konfliktsituation und die Stationierung der PDK-Kräfte in Şengal, um einen Krieg gegen die PKK anzuzetteln. Für kollaborierende Kurden wie den ENKS und die PDK wird Raum geschaffen, während die Errungenschaften der frei denkenden Kurden angegriffen werden.

Das faschistische AKP/MHP-Regime sieht sowohl Rojava als auch Şengal und Mexmûr als Expansionsgebiete, in denen es sich langfristig festsetzen will. Das soll Schritt für Schritt umgesetzt werden. Die Besatzungsangriffe sollen auch in der Öffentlichkeit im Inland genutzt werden. Um der sinkenden Unterstützung in der Bevölkerung und dem drohenden Machtverlust entgegenzuwirken, soll der Nationalismus angeheizt werden. Die Angriffspläne betrachtet das Regime als Investition für die kommenden Wahlen. Diese Politik schadet nicht nur den Kurdinnen und Kurden, sie wird langfristig allen Völkern in der Region und sogar den Interessen Europas schaden. In den von ihm kontrollierten Regionen wird der türkische Staat die Überbleibsel des IS und ähnliche islamistische Gruppen aktivieren. Er wird ihr Angriffspotential steigern und die gesamte Region in eine Gewaltspirale ziehen.

Was auch immer der am Boden liegende AKP/MHP-Faschismus mit seinen Besatzungsangriffen plant; er hat keine Chance auf Erfolg. Das Widerstand leistende Volk wird eines Tages dafür Rechenschaft verlangen.


Der Artikel erschien im türkischen Original am 25. Januar in der Yeni Özgür Politika