„Aus Versehen erschossen“

Der zwanzigjährige Kurde Recep Hantaş ist gestern in einem Park in Amed von der Polizei erschossen worden – „aus Versehen“, wie die Polizei behauptet. Nach Angaben seines Bruders ist er seit längerer Zeit von der Polizei belästigt worden.

Am Samstagabend ist der junge Kurde Recep Hantaş im belebten Sümerpark in Amed (Diyarbakir) von der Polizei mit einem Kopfschuss getötet worden. Diese extralegale Hinrichtung fand statt, während Hantaş mit einem anderen jungen Mann im Park saß.

Der Leichnam wurde gestern auf polizeilichen Druck in aller Eile auf dem Friedhof in Yeniköy beigesetzt. Außer engen Familienmitgliedern durfte niemand an der Beerdigung teilnehmen.

Efe Hantaş, der Bruder des 1999 geborenen Recep Hantaş, schilderte gegenüber ANF die Ereignisse.

Die Familie sei zunächst telefonisch von der Polizei aufgefordert worden, dringend ins Krankenhaus zu kommen. „Wir fuhren ins Krankenhaus, bekamen aber keine Informationen. Nach knapp anderthalb Stunden Warten wurde ich zur Identifizierung hereingerufen. Der Arzt sprach mir sein Beileid aus.“

Erst viel später konnte die Familie mit der Polizei sprechen. „Sie sagten, sie hätten einen Hinweis bekommen. Mein verstorbener Bruder soll sich mit einem Freund im Sümerpark getroffen haben. Aufgrund des Hinweises hätte die Operation stattgefunden“, gibt Efe Hantaş wieder, was er in dem Gespräch in Erfahrung bringen konnte. Um was für eine Operation es sich gehandelt hat oder ob es zu einer Schießerei gekommen sei, wurde der Familie nicht mitgeteilt. „Mein Bruder hatte jedenfalls keine Waffe“, sagt Efe Hantaş, deshalb sei er über die Operation erstaunt. „Es gibt keine genauen Informationen, wie und um wieviel Uhr es geschehen ist.“

Vor seinem Tod hat Recep Hantaş seinem Bruder erzählt, dass er ständig von der Polizei belästigt wird: „Er wurde dauernd von der Polizei kontrolliert. Die Polizisten machten eine Datenabfrage und sagten: ‚Ihr seid Terroristen‘, um ihn zu provozieren. Ständig wurde er bedrängt: ‚Macht keine politischen Sachen, geht lieber klauen, nennt uns die Namen eurer Freunde, die mit solchen Sachen zu tun haben, dann schützen wir euch‘.“

Efe Hantaş fährt fort: „Er hat manchmal davon erzählt. Er sagte: ‚Ich kann kaum noch die Wohnung verlassen. Sobald ich rausgehe, werde ich in eine Ecke gedrängt und kontrolliert. Sie nennen mich einen Terroristen und fragen, warum mein Bruder in die Berge gegangen ist.‘ Sie haben ihn ständig provoziert.“

Gegenüber der Nachrichtenagentur Mezopotamya Ajansı gab Efe Hantaş an, die Polizei habe erst nach beharrlichen Nachfragen erklärt, dass nach dem Freund seines Bruders, der sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls im Sümerpark aufhielt, gefahndet worden sei. Die Operation habe stattgefunden, um ihn zu fassen, Recep Hantaş soll es dabei „aus Versehen getroffen” haben. Die Familie des Getöteten findet diese Version äußerst unglaubwürdig. Zwei weitere Kugeln steckten im Auge und Bauch von Recep Hantaş.