Attentate in Deir ez-Zor: Spuren führen zum Regime

Die Spuren der Anschläge auf prominente Persönlichkeiten in der Region Deir ez-Zor führen zum syrischen Regime. Ein festgenommener Tatverdächtiger sagt über eine von Damaskus aufgebaute Kontrastruktur aus.

Im Zusammenhang mit der Anschlagsserie auf arabische Stammesälteste in der ostsyrischen Region Deir ez-Zor konnten die Sicherheitskräfte der Autonomieverwaltung nun einen ersten Erfolg verzeichnen. Eine Person namens Abdulrezaq al-Qatay wurde festgenommen und hat über den Hintergrund der Attentate ausgesagt. Der Mann äußerte gegenüber ANF, der syrische Staat habe die Zelle aufgebaut, welche die Attentate durchführt.

Al-Qatay ist am 29. Juli festgenommen worden, als er Drohschreiben einer Gruppe mit dem Namen „Bewaffneter Arabischer Widerstand“ vor den Wohnungen von Personen, die der Selbstverwaltung nahestehen, ablegte. Der 1981 geborene Mann stammt aus Şeddadê und sagt aus, der „Bewaffnete Arabische Widerstand“ sei vom syrischen Regime gegründet worden, um mithilfe klandestiner Zellen Stammesführer, die den Demokratischen Kräften Syriens (QSD) nahestehen, Ko-Vorsitzende von Räten und Mitglieder der Gerechtigkeitskommission zu töten. Zu den Attentaten auf Stammesälteste in Deir ez-Zor in der vergangenen Woche berichtet er: „Noch bevor wir als Einheit in Hesekê aktiv geworden sind, haben die Leute in Deir ez-Zor damit begonnen, ihre Ziele umzusetzen.“

Vom syrischen Geheimdienst organisiert

Über den Aufbau des Netzwerks erzählt al-Qatay: „Mein Bruder gehört in Hesekê zu den Sicherheitskräften des Regimes. Er machte mich mit Abu Muhammed vom politischen Geheimdienst des syrischen Staates in Hesekê bekannt. Am 19. Juli reiste ich gemeinsam mit meinem Bruder nach Hesekê. Dort traf ich in dem unter der Kontrolle des Regimes stehenden Teil der Stadt Abu Muhammed in einem Park. Wir diskutierten darüber, Stammesführer, wichtige Persönlichkeiten und die Ko-Vorsitzenden von Räten, die in Verbindung mit den QSD stehen, anzugreifen. Diese Aufgaben müssten klandestin durchgeführt werden. Ich wurde zunächst damit beauftragt, Drohschreiben zu verteilen. Diese erreichten mich am 29. Juli. Ich verteilte sie wie abgesprochen heimlich vor den Wohnsitzen der Stammesführer, von wichtigen Persönlichkeiten und den Ko-Vorsitzenden von Räten, die in Verbindung mit den QSD stehen. Ich schob die Schreiben unter ihren Türen durch.“

Regime durfte nicht im Zusammenhang mit den Aktivitäten erscheinen

Die Gruppe sollte unabhängig vom Regime wirken, sagt al-Qatay und fährt fort: „Wir mussten unsere Arbeit unter hoher Geheimhaltung durchführen. Wir verteilten zwar die Drohschreiben, aber der Name des syrischen Staates tauchte nicht auf. Der syrische Staat stand zwar dahinter, aber wir benutzten den Namen ‚Bewaffneter Arabischer Widerstand‘. Auf den Schreiben wurde auch seine Gründung bekanntgegeben. Geheimhaltung war sehr wichtig. Außerhalb von denjenigen, mit denen man direkt zusammenarbeitet, kannte man niemanden aus den Zellen. Deswegen weiß ich auch nicht, um wen es sich an den anderen Orten handelt.“

Die Ziele sollten ausgeschaltet werden“

Zu den Attentaten in Deir ez-Zor sagt al-Qatay: „Wir haben gesehen, was in Deir ez-Zor geschehen ist. Das gleiche sollten wir hier auch machen. Wir sollten die Ziele treffen und vernichten. Aber die Zellen von Deir ez-Zor und Hesekê agieren unabhängig voneinander. Aufgrund der Geheimhaltung kennen wir uns nicht. Wir haben nur die Drohschreiben verteilt, wir hatten ja gerade erst begonnen uns zu organisieren und waren noch nicht zur Praxis übergegangen. Ich wurde sowieso geschnappt. Wenn ich nicht erwischt worden wäre, hätte es ein weiteres Treffen mit Abu Muhammed gegeben. Er hätte mir ein paar weitere Leute vorgestellt.“

Attentate als Methode

Die Drohschreiben, die al-Qatay verbreitete, waren handschriftlich auf Arabisch verfasst. In ihnen heißt es: „Die verräterischen Militärräte, Gerechtigkeitskommissionen, Parteien, Geheimdienstverantwortliche und Vorsitzende von lokalen Räten werden unser Ziel sein. Wir wollen nicht, dass das arabische Volk über diese Arbeit redet. Wir verkünden die frohe Botschaft, dass unsere Widerstandskämpfer überall sind. Wir sind auch unter ihnen. Wir werden sie von innen heraus treffen.“ In den Schreiben wurde angekündigt, die Zielpersonen bei Attentaten zu töten.

Die Attentate in der Region

In den selbstverwalteten Regionen mit starker arabischer Bevölkerung wie Minbic, Raqqa, Tabqa und Deir ez-Zor haben bisher vor allem Anschläge durch vom türkischen Geheimdienst organisierte Zellen aus IS-Mitgliedern und Söldnern der sogenannten Syrischen Nationalarmee (SNA) stattgefunden. Gefangene Mitglieder dieser Zellen machten hierzu bereits umfassende Aussagen.

Beispiele für Anschläge

2013 wurde Isa Husso ermordet, im März 2018 Omar Alloush, der Mitglied im Zivilrat von Raqqa und im Demokratischen Syrienrat (MSD) war. Im November 2018 wurde Bashir Fasil al-Huwaidi, ein Scheich des Al-Afadleh-Stammes, in seinem Auto in Raqqa erschossen. Im Dezember 2018 wurde ein tödliches Attentat auf Mervan al-Fiteyih, Ko-Vorsitzender des Zivilrats von Deir ez-Zor, verübt. Diese Anschläge wurden in einer Kooperation zwischen IS und MIT durchgeführt.

Bei den Anschlägen, die zu den Aussagen von al-Qatay passen, handelt es sich um den Mord am Stammesführer Suleiman al-Qassar im Distrikt Basira in Deir ez-Zor am 30. Juli, den Mord am folgenden Tag an Ali al-Weiss, Bürgermeister der Kleinstadt Dahlah östlich von Deir ez-Zor, und der Mord an Scheich Muttshar al-Hifil am 2. August.