PDK und Barzanî als Speerspitzen der Konterrevolution

Ein Blick in die Geschichte der PDK zeigt, dass sich diese Partei von Beginn an vor allem der Bekämpfung anderer kurdischer Organisationen gewidmet hat. Auch heute sind wieder Kurd*innen im Visier der PDK.

Die Demokratische Partei Kurdistans (Partiya Demokrata Kurdistanê, PDK) wurde im Jahr 1946 in Südkurdistan gegründet. Seitdem stellt sie ein großes Hindernis für eine Demokratisierung und Befreiung in allen Teilen Kurdistans dar. Heute arbeitet die PDK mit dem türkischen Regime im Vorgehen gegen die PKK, die Ezid*innen in der Şengal-Region und die Rojava-Revolution zusammen. Sie bereitet sich auf einen großen Krieg vor, mit dem alle kurdischen Errungenschaften ausgelöscht werden könnten.

Die Kurdenfeindschaft des Barzanî-Clans reicht tief in die Vergangenheit

Wer die Politik der PDK verstehen will, muss in die Geschichte des Barzanî-Clans, der die Partei und damit die südkurdische Regierung wie ein Familienunternehmen leitet, zurückblicken. Die Kurdenfeindschaft und das konterrevolutionäre Vorgehen des Barzanî-Clans ist älter als die PDK selbst. Die PDK hat in allen vier Teilen Kurdistans Strukturen aufgebaut und mit den Kolonialstaaten in der Bekämpfung des kurdischen Freiheitskampfes kollaboriert. Sie kollaborierte mal mit dem Iran, mal mit dem Irak und mal mit dem türkischen Staat gegenüber anderen kurdischen Kräften und perpetuierte damit den Kolonialstatus Kurdistans.

Mit der französisch inspirierten Zentralisierungspolitik des Osmanischen Reiches und der damit zusammenhängenden Auflösung der kurdischen Fürstentümer trat die Familie Barzanî zum ersten Mal im 19. Jahrhundert auf die Bühne der Geschichte. Der Barzanî-Clan verdankt seinen Aufstieg dem Nakschibendi-Orden, dem er mehrheitlich zuzurechnen ist. Die Familie stammt vermutlich aus der Region Mossul und begann sich mit einer über das Nakschibendi-Scheichtum der Familie Sadatê Nehrî erwirkten Erlaubnis in der Region Barzan in Südkurdistan anzusiedeln. Diese Scheich-Familie brachte sehr mächtige Persönlichkeiten wie zum Beispiel Scheich Ubeydullah hervor. Er spielte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine bedeutende politische Rolle und geriet mit Abdulselam Barzanî über den Anspruch des Scheichtums in der Region in Konflikt. Aufgrund dessen musste Abdulselam Barzanî fliehen, sein Sohn Muhammed konnte jedoch mit Erlaubnis der Nehrî-Scheichs schließlich das Scheichtum antreten.

Kurdische Stämme im Visier der Barzanîs

Durch die Söhne von Şêx Muhammed, Şêx Abdusselam II., Şêx Ahmet und Şêx Molla Mustafa Barzanî wuchs der Einfluss des Barzanî-Clans. Als ersten Schritt begannen sie die traditionell in der Region Behdînan siedelnden kurdischen Stämme anzugreifen. Gegen einen nach dem anderen führten sie Krieg: Gegen die Stämme der Zêbarî, Bradostî, Sûrçî, Herkî, Berwarî und Ertoşî. Dabei kam es immer wieder auch zu Konflikten mit dem Osmanischen Reich. Nach einem dieser Konflikte mit den Osmanen wurde Şêx Abdulselam 1916 in Mossul hingerichtet. Daraufhin wurde Şêx Ehmed zum Hauptscheich und begann in den 30er Jahren mit einem Krieg gegen den Bradostî-Stamm und die übrigen Stämme von Behdînan.

Mola Mustafa suchte Schutz beim türkischen Staat

Der Stammesführer des Bradostî-Stammes, Şêx Reşîd Lolani, warf den Barzanîs vor, „die Religion zu korrumpieren und vom Weg abzubringen“. Da die Familie Barzanî gegen alle Stämme der Region Krieg führte, griffen schließlich britische und irakische Kräfte in der Region ein. Nach einem britischen Luftangriff flohen Şêx Ehmed und Mola Mustafa Barzanî in die Türkei. Sie wurden vom türkischen Staat 1933 an den Irak ausgeliefert und lebten lange Zeit in Silêmanî im Exil.

Mola Mustafa Barzanî ließ Mahabad im Stich

1945 ging Mola Mustafa Barzanî nach Ostkurdistan (Rojhilat). Dort übernahm er die Verantwortung für die Verteidigung der 1946 gegründeten kurdischen Republik Mahabad. Als sich das iranische Regime gegen Mahabad richtete, leistete er keinerlei Widerstand, sondern floh in die Sowjetunion.

Barzanî versucht, andere Parteien zu vernichten

Als Barzanî im Exil war, wurde die PDK-Irak nach dem Vorbild der iranischen PDK gegründet. Barzanî blieb elf Jahre in der Sowjetunion und kehrte in den Irak bei Herrschaftsantritt des Militärs Abd al-Karim Qasim zurück. Nach seiner Rückkehr nach Südkurdistan versuchte Mola Mustafa Barzanî gestützt auf regionale Kräfte, die Vernichtung anderer kurdischer Kräfte und Parteien zu beschleunigen.

Barzanî-Putsch in der PDK

Im Jahr 1964 schließt Barzanî, ohne das Politbüro der PDK zu informieren, einen Waffenstillstand mit dem Irak. Daraufhin versammelt sich das Politbüro der PDK und schließt Barzanî aus. Barzanî erklärt die Versammlung jedoch für ungültig, organisiert mit seinen Anhängern einen Parteikongress, schließt gemeinsam mit dem PDK-Gründer Ilham Ehmed das legale Politbüro aus der Partei aus und schafft ein neues Politbüro aus seinen Loyalisten.

Kollaboration mit Kolonialisten

Auf diese Weise hat Mola Mustafa Barzanî die Kontrolle über die ganze PDK bekommen und es beginnt eine Kollaboration mit den Regionalstaaten gegen Freiheitsbestrebungen in allen Teilen Kurdistans. Seitdem gibt es wohl keine kurdische Kraft, die nicht von der PDK bekämpft worden wäre.

Von gestern bis heute: Eine Chronologie von Krieg und Kollaboration

Wenn wir allein die letzten 60 Jahre stichpunktartig Revue passieren lassen, ergibt sich eine erschütternde Bilanz:

1961: Mit dem Ende der Beziehungen zwischen der PDK und Bagdad wendet sich die Partei dem Iran zu. Schon bald geht die PDK-Irak zusammen mit dem iranischen Regime gegen die PDK-Iran vor. Sie ermordet Führungskader der PDK-Iran wie Silêman Maunî. Seine Leiche wird von der PDK-Irak dem iranischen Regime übergeben.

1964/65: In diesen Jahren startet die KDP von Barzanî mehrere große und kleine Angriffe auf Ibrahim Ehmed, den er kurz vorher aus der Partei geworfen hatte, Celal Talabanî und das ehemalige Politbüro der Partei, das sie zuvor aus der Partei ausgeschlossen hatten. Dadurch werden diese zur Flucht in den Iran gezwungen.

1965: Faik Bucak, Generalsekretär der PDK-Türkei, schreibt an Mustafa Barzanî über die Gründung und Ziele seiner Partei. Kurz nach der Versendung des Briefes wird Faik Bucak vom türkischen Staat ermordet.

1966: In diesem Jahr kämpft die PDK gegen eine von Ibrahim Ehmed und Celal Talabanî angeführte Front. Auf beiden Seiten gibt es viele Tote.

1968: Barzanîs PDK arbeitet mit dem Savak, dem Geheimdienst des iranischen Schah-Regimes, zusammen, um die PDK-Iran zu zerschlagen. Dafür erhält die PDK-Irak massive Unterstützung vom Savak. Bei gemeinsamen Operationen des iranischen Regimes mit der PDK-Irak in Süd- und Ostkurdistan werden viele Peschmerga der PDK-Iran getötet und die Partei weitgehend ausgeschaltet.

1971: Sait Elçi, der Nachfolger des ermordeten PDK-Türkei-Generalsekretärs Faik Buçak, wird auf mysteriöse Weise ermordet. Dieser Mord wird Dr. Şivan (Sait Kırmızıtoprak) untergeschoben. Şivan hatte die gleichnamige PDK-Türkei gegründet, die auf einen Guerillakrieg in der Türkei abzielte. Er wird im Auftrag des MIT am 26. November 1971 erschossen.

1975: Nach dem Abkommen von Algier zieht der Iran seine Kräfte aus dem Irak ab. Molla Mustafa Barzanî ruft das Ende des Widerstands aus und zieht sich in den Iran zurück. Im gleichen Jahr gründet Celal Talabanî die Patriotische Union Kurdistans (YNK). Die YNK gerät sofort ins Visier von Barzanîs PDK.

1976: Molla Mustafa Barzanî beginnt einen blutigen Konflikt mit der YNK. Die Barzanî-Partei wird jedoch besiegt und gezwungen, sich in den Iran zurückzuziehen.

1978: Nach der Beendigung des Widerstands gegen das Baath-Regime durch die PDK gerät eine Gruppe von YNK-Peschmerga unter dem Kommando von Elî Eskerî in einen Hinterhalt an der Grenze zwischen Colemêrg (türk. Hakkari) und Südkurdistan. Laut Berichten erklärt Molla Mustafa Barzanî: „Große Männer tötet man mit großen Waffen“ und tötet ihn mit einem RPG-7-Raketenwerfer.

1979: Die Barzanîs reorganisieren die PDK in Mahabad, in Ostkurdistan, wohin sie sich zurückzogen haben. Wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem iranischen Regime gegen die PDK-Iran erhalten sie keine Unterstützung aus der Bevölkerung. Daraufhin greifen sie die Stämme der Region an.

1980: Es kommt immer wieder zu Gefechten zwischen PDK und YNK.

1981: Diesmal kollaboriert die PDK-Irak der Barzanîs mit dem iranischen Mullah-Regime und greift die von Dr. Qasimlo angeführte PDK-Iran erneut an. Dabei wird die PDK-Iran massiv geschwächt.

1992: Nach dem 2. Golfkrieg wird das südkurdische Parlament gegründet. Die erste Entscheidung dieses Parlaments ist eine Kriegserklärung an die PKK.

1994: Auch wenn bis dahin die inneren Auseinandersetzung sichtbar abgenommen haben, erklärt die PDK der YNK den Krieg. Dabei geht es um die Einnahmen aus dem Grenzübergang Ibrahim Halil und die Alleinherrschaft der PDK. In dem bis 1997 andauernden Krieg verlieren beide Seiten zehntausende Menschen, weitere Zehntausende müssen aus dem Land fliehen.

1995: Die PDK und der türkische Staat starten gemeinsam die Operation „Çelik“ gegen die PKK. Die Angriffe beginnen am 12. März und dauern bis in den Mai.

1996: Am 31. August 1996 verbündet sich die PDK mit dem Massenmörder der „Anfal-Operation“, Saddam Hussein, um das von der YNK kontrollierte Hewlêr anzugreifen und unter Alleinherrschaft zu bringen. Die PDK nimmt Hewlêr mit Hilfe von Saddams Panzern ein.

1997: Zeitgleich mit der Hammer-Operation des türkischen Staates gegen die PKK werden Krankenhäuser in Hewlêr, in denen verwundete Guerillakämpfer*innen versorgt werden, die Zeitung Roji Welat und das Kulturzentrum Mesopotamya gestürmt. Die PDK ermordet 80 verwundete Guerillakämpfer*innen und angebliche oder reale PKK-Unterstützer*innen.

2012: Mit dem Beginn der Revolution in Rojava nimmt die PDK durch ihren Rojava-Ableger, dem ENKS (Kurdischer Nationalrat), an Massakern wie in Til Harran und Til Hasil und einer Vielzahl von Angriffen und konterrevolutionären Aktivitäten von Serêkaniyê bis Efrîn teil.

2014: Die PDK zieht über Nacht Truppen aus Şengal ab und überlässt die zuvor entwaffnete ezidische Bevölkerung dem „Islamischen Staat” (IS).

2017: Die PDK greift ezidische Selbstverteidigungskräfte in Sinûnê und Xanesor an. Bei dem Angriff werden Nazê Naîf, die Journalistin Nûjiyan Erhan und fünf Kämpfer*innen der YBŞ getötet.

2017: Trotz aller Warnungen setzt die PDK ein Unabhängigkeitsreferendum durch. Nach dem Referendum verlässt sie kampflos alle umstrittenen Orte und überlässt 48 Prozent von Südkurdistan dem irakischen Militär.

2018: Bewaffnete Gruppen des PDK-Fortsatzes ENKS beteiligen sich aktiv am Angriff auf das selbstverwaltete Efrîn.

2020: Am 9. Oktober schließt die PDK ein Abkommen mit der irakischen Regierung, um die Kontrolle über die Region Şengal wiederzuerlangen und die Selbstverteidigungskräfte der Ezid*innen aufzulösen.

Dieser Aufzählung könnten noch viele weitere Beispiele hinzugefügt werden. Die PDK verfolgt mit ihrer Eskalationsstrategie gegenüber der PKK in Nord-, West- und Südkurdistan das Ziel, sich als einzige kurdische Macht von Gnaden der Türkei durchsetzen zu können. Trotz Protesten von allen Seiten hält sie an diesem Ziel fest.