Libyen-Bericht: Vergewaltigung, Folter und Mord an Schutzsuchenden

Die Fact-Finding-Mission der UN in Libyen hat einen Bericht veröffentlicht, in dem das Ausmaß der Gewalt gegen in dem Maghreb-Staat festgehaltene Schutzsuchende in aller Deutlichkeit zu Tage tritt. Es geht um Exekutionen, Folter und Vergewaltigungen.

Libyen gilt für die EU als eines der wichtigsten „Bollwerke“ gegen Schutzsuchende. Ähnlich wie die Türkei versucht Libyen, aus der Abschottungspolitik der EU gegenüber Schutzsuchenden aus dem globalen Süden Kapital zu schlagen. So wurde ein Bürgerkriegsmiliz mit EU-Hilfe zur sogenannten ,Libyschen Küstenwache' hochgerüstet. Obwohl sie an schwersten Verbrechen gegenüber Migrant:innen beteiligt ist, wird ihr das Recht zugesprochen, Menschen nach Libyen zurückzuschleppen. Deren Schicksal wird bestenfalls bedauernd zur Kenntnis genommen. Die Schutzsuchenden landen in grausamen Folterlagern und auf Sklavenmärkten. Das Ausmaß der Brutalität in Libyen wird durch einen neuen Bericht der Fact-Finding-Mission der UN in Libyen erneut bestätigt. Die UN stellen fest: „Die Mission hat begründeten Anlass zu der Annahme, dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Mord, Folter, Inhaftierung, Vergewaltigung, Verschwindenlassen und andere unmenschliche Handlungen – seit 2016 an mehreren Haftorten in Libyen begangen wurden.“

Sexualisierte Gewalt und Folter

Dem Bericht der Untersuchungsmission zufolge gibt es in Libyen zahlreiche Belege dafür, dass Migrant:innen systematisch „langwierigen willkürlichen Inhaftierungen“ ausgesetzt sind. Die Gefangenen sind von schwersten Übergriffen betroffen, dazu gehören auch sexualisierte Gewalt und die Folter von Kindern. So schreibt die UN-Mission: „Folter und Vergewaltigung sind ein Merkmal der Inhaftierung und Gefangenschaft von Migrant:innen in Libyen und werden routinemäßig als Mittel zur Einschüchterung, Bestrafung, Demütigung, Befriedigung oder Ausbeutung eingesetzt. Migrant:innen sind Elektroschocks, dem Ausdrücken von Zigaretten, Verbrennungen, regelmäßigen Schlägen, Vergewaltigungen und sexueller Gewalt gegen Männer, Frauen, Jungen und Mädchen und/oder anderen brutalen Formen physischer und psychischer Folter ausgesetzt, wie zum Beispiel dem Miterleben der Vergewaltigung oder Hinrichtung von Mitgefangenen. Viele der von der Mission befragten Migrantinnen bestätigten, dass sie, darunter auch einige minderjährige Mädchen, entweder vergewaltigt wurden, Zeugen der Vergewaltigung einer anderen Person wurden oder sahen, wie weibliche Mitgefangene unter Tränen in ihre Zellen zurückkehrten, nachdem sie von ihren Wachen oder Entführern abgeführt worden waren. Einige Migrantinnen erzählten der Mission, dass sie im Austausch gegen Essen, Wasser oder andere grundlegende Dinge Sex mit Wachleuten und anderen Haftbeamten hatten. Die Mission erhielt auch Berichte über Männer und Jungen, die in Haftanstalten sexuelle Gewalt erfahren haben.“

Zwangsarbeit

Die Mission erhielt regelmäßig Berichte über die Versklavung von Menschen. Ihr liegen zahlreiche Belege dafür vor, dass Migrant:innen verschleppt und verkauft oder an Unternehmen zur Arbeit weitergeben werden. Unter diesen befinden sich demnach auch Kinder, die in Fabriken oder auf Farmen arbeiten müssen. Dabei stehe ihnen oft weder ausreichend Wasser noch Nahrung zur Verfügung.

Hohe Regierungsstellen verwickelt

In die Verbrechen sind insbesondere staatliche Stellen in Libyen wie die per Präsidialdekret aufgestellte SSA (Stability Support Authority) verwickelt. In dem Bericht heißt es dazu: „Die jüngste Beteiligung der SSA in der zweiten Jahreshälfte 2021 an der Inhaftierung und Ausbeutung von Migrant:innen macht deutlich, wie die anhaltende Straflosigkeit den Kreislauf der Gewalt fortsetzt und neue Akteure ermutigt, sich in ihrem Streben nach weiterer Legitimität und finanziellen Mitteln an solchen Aktivitäten zu beteiligen. Diese Straflosigkeit wird durch die Schwächen der libyschen Institutionen, des nationalen Rechtsrahmens und des Justizsystems noch verstärkt.“

Die EU ist größte Unterstützerin Libyens”

Wie die EU auf ihrer Website EU-Libya relations | EEAS im Februar 2022 mitteilte, sieht sie sich selbst als die größte Unterstützerin Libyens. Zwischen 2014 und 2020 wurden 700 Millionen Euro von der EU an verschieden Parteien in Libyen bezahlt oder in Strukturen in Libyen investiert. Worum es dabei geht, schreibt die EU deutlich, denn neben Medienfreiheit und Demokratie dient „ein wichtiger Teil der EU-Hilfe für Libyen dem Schutz und der Unterstützung von Migranten, Flüchtlingen und gefährdeten Gruppen, der Unterstützung libyscher Gemeinden, die besonders viele Migranten aufnehmen, und Maßnahmen zur Grenzverwaltung. Dazu gehört die Unterstützung, z.B. durch technische Schulungen oder Ausrüstung, um die Kapazitäten der libyschen Behörden für lebensrettende Maßnahmen auf See im Einklang mit dem Völkerrecht zu verbessern. Die EU arbeitet auch mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zusammen, um die freiwillige Rückkehr und humanitäre Evakuierungen aus Libyen zu erleichtern.“

Was hier in schönen Worten formuliert wird, ist die Finanzierung und Aufrüstung eines brutalen Grenzregimes, das systematisch Folter und Mord praktiziert.