Emin Gurban schwer erkrankt in einer Einzelzelle

Emin Gurban ist in der Türkei zu einer erschwerten lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, was laut EGMR gegen das Folterverbot verstößt. Der 57-Jährige ist inzwischen so schwer krank, dass er sich nicht mehr selbst versorgen kann.

Das türkische Justizministerium hat die Generalstaatsanwaltschaften in einem acht Artikel umfassenden Rundschreiben ermächtigt, von Amts wegen und ohne Antrag der Betroffenen den Gesundheitszustand von kranken Gefangenen festzustellen. Hinsichtlich dieser Anweisung hat es jedoch noch keine öffentlich gewordenen Entwicklungen gegeben. Der Menschenrechtsverein IHD hat wiederholt darauf hingewiesen, dass derzeit 1517 Menschen in türkischen Gefängnissen behandlungsbedürftig erkrankt sind, 651 Gefangene sind schwer krank. Anfang Januar teilte der IHD außerdem mit, dass 35 der 76 Menschen, die im Jahr 2022 in Gefängnissen starben, aufgrund von Krankheiten ums Leben kamen.

Von der Todesstrafe zum verschärften „Lebenslänglich“

Emin Gurban, geboren in Wan-Şax (tr. Van-Çatak), ist einer dieser kranken Gefangenen. Der heute 57-Jährige wurde 1996 verhaftet und am 13. Juni 2001 vom Staatssicherheitsgericht (DGM) wegen „Störung der Einheit und Integrität des Staates" zum Tode verurteilt. Nach 25 Jahren Haft wurde gegen Gurbans Fall Berufung beim Kassationsgerichtshof eingelegt, der das Urteil aufgrund von Verfahrensmängeln aufhob. Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Urteils war die Todesstrafe abgeschafft, und Gurban wurde zu einer verschärften lebenslangen Freiheitsstrafe ohne Aussicht auf Entlassung verurteilt, die vom Kassationsgerichtshof bestätigt wurde.

Nach Ausschöpfung der innerstaatlichen Rechtsmittel wurde der Fall von Emin Gurban vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebracht. Der EGMR entschied am 15. Dezember 2015, dass das lange Verfahren und die verschärfte lebenslange Haft gegen das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen. Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt wurde vom örtlichen Gericht in der Türkei abgelehnt. Der Fall liegt dem Verfassungsgericht zur Umsetzung des EGMR-Urteils vor, aber es gibt noch keine Entscheidung.

Gurban verbrachte seine 27-jährige Haftzeit in den Gefängnissen von Metris, Sakarya, Bursa, Gebze und Kocaeli. Zuletzt wurde Gurban ins Hochsicherheitsgefängnis Konya-Ereğli verlegt.

Diverse schwere Erkrankungen

Emin Gurban leidet aufgrund der Haftbedingungen an verschiedenen gesundheitlichen Problemen. Laut ärztlicher Diagnose besteht für Gurban das Risiko, an Magenkrebs zu erkranken. Aufgrund des Krebsrisikos liegt ein pathologischer Befund vor, der besagt, dass er wegen einer Wunde im Magen unter ständiger ärztlicher Aufsicht stehen sollte und auf seine Ernährung achten muss. Ohne eine kontinuierliche Diät ist ein Rückfall wahrscheinlich. Zudem besteht eine Gallenerkrankung, wegen der Gurban 2018 operiert werden musste.

Am 6. Dezember 2022 wurde Emin Gurban mit Erbrechen und anderen Beschwerden in die Notaufnahme des staatlichen Krankenhauses eingeliefert. Von der Notaufnahme wurde er in die Neurologie überwiesen. In der neurologischen Abteilung wurde festgestellt, dass er sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befand, und es wurde ein Infarkt in einem Bereich von 70 Prozent des Kleinhirns als Folge von zwei Gefäßverschlüssen im Halsbereich diagnostiziert.

Nach sechs Tagen stationärer Beobachtung kam Gurban zurück ins Gefängnis, mit dem Beschluss, seine Behandlung an der medizinischen Fakultät von Kocaeli fortzusetzen. Seine Beschwerden, unter anderem ständiges Erbrechen, dauerten an. Seine Rechtsanwältin Elif Taşdöğen intervenierte bei der Vollzugsleitung und ihr wurde die Verlegung ihres Mandanten in das Universitätskrankenhaus zugesichert.

Strafanzeige wegen lebensgefährlicher Verlegung

Am 15. Dezember 2022 wurde Gurban jedoch von Vollzugsbeamten mitgeteilt, dass er in das Hochsicherheitsgefängnis Konya-Ereğli verlegt würde. Obwohl er und seine Mitgefangenen dagegen protestierten, wurde Gurban morgens um 6.00 Uhr in einem Militärkrankenwagen verfrachtet und mit Handschellen gefesselt, um die neunstündige Fahrt nach Konya anzutreten.

Gegenüber ANF erklärte Gurbans Anwältin Elif Taşdöğen: „Wir haben Strafanzeige wegen Amtsmissbrauchs und Verstoßes gegen das Folterverbot erstattet. Der Gefangene musste neun Stunden lang in Handschellen reisen und schwebte während der Fahrt in Lebensgefahr. Er hätte dringend in eine Universitätsklinik überwiesen werden müssen, wurde aber auf diese Weise in ein neun Stunden entfernt liegendes Gefängnis verlegt. Dies stellt den Straftatbestand der Folter und Misshandlung für die öffentlichen Bediensteten, die diese Angelegenheit entschieden und umsetzten, und auch den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs für alle beteiligten Bediensteten dar."

Laut den letzten Informationen seiner Anwältin wurde Emin Gurban am 19. Dezember in einem Krankenhaus in Ereğli vorgestellt, jedoch ohne Behandlung wieder ins Gefängnis gebracht. Er gibt an, dass er sich nicht mehr selbst versorgen und kaum stehen kann. Trotzdem ist er weiterhin in einer Einzelzelle untergebracht.