Systematische Folter bei der Polizei in Riha

In der Polizeidirektion der nordkurdischen Provinzhauptstadt Riha wird systematisch gefoltert. Auch eine Inspektion des europäischen Antifolterkomitees hat daran nichts geändert.

Dass Kurd:innen in türkischen Polizeistationen und Zentren der Militärpolizei gefoltert werden, wird immer mal wieder thematisiert. Die Folter findet jedoch ununterbrochen statt. In den Medien ist bereits wiederholt davon berichtet worden, dass speziell die Polizeibehörde in Riha (tr. Urfa) als Pilotprojekt festgelegt wurde und es in den Räumlichkeiten eine Abteilung gibt, in der verschiedene Foltermethoden zur Anwendung kommen. Fast alle, die aus politischen Gründen festgenommen wurden, haben anhand der angewandten Methoden und der Stimmen dieselben Folterer beschrieben. Als 2019 ein Dorf im Kreis Xelfetî (Halfeti) von Sicherheitskräften gestürmt, über fünfzig Menschen festgenommen und die meisten von ihnen gefoltert wurden, kam die Polizeidirektion in Riha ein weiteres Mal in die Schlagzeilen.

Rechtsanwalt Mustafa Vefa ist Vorsitzender der örtlichen Zweigstelle des Menschenrechtsverein IHD und in dieser Funktion immer wieder mit Folterberichten beschäftigt. Er arbeitet seit 2015 als Anwalt in Riha und sagt, dass genau zu dieser Zeit Folter als systematische Methode der Polizei zugenommen hat. Zwei seiner Mandanten wurden wegen des ungeklärten Mordes an zwei Polizisten in Serê Kaniyê (Ceylanpınar) festgenommen, der für die Regierung ein willkommener Anlass für die Beendigung des Lösungsprozesses im Zusammenhang mit der kurdischen Frage war.

„In diesem Verfahren sind wir mit grauenerregenden Dingen konfrontiert worden. Bei einem Besuch meiner Mandanten musste ich feststellen, dass sie sehr schlimm gefoltert worden waren. Andere Beschuldigte in dem Verfahren sagten aus, dass sie sexuell gefoltert wurden. Diese Aussage wurde sogar von der Gerichtsmedizin in Adana bestätigt“, erzählt Vefa.

Seit 2015 hat sich der Anwalt immer wieder die Schilderungen von Folteropfern angehört, entweder von seinen Mandanten oder von Betroffenen, die sich an den Menschenrechtsverein gewandt haben: „Verschiedene Mandanten von mir haben vor Gericht ausgesagt, wie sie gefoltert worden sind. Die schlimmsten Methoden, von denen sie berichteten, waren Stromschläge, Palästinahaken und sexuelle Folter. Diese Aussagen sind in die Gerichtsprotokolle eingegangen. In allen Aussagen kam vor, dass es in der politischen Abteilung der Polizeidirektion Urfa einen dunklen Raum gibt, in dem die Folter vollzogen worden ist. Die Beschreibungen von den Folterern deuten darauf hin, dass es sich immer um dieselben Personen gehandelt hat.“

Inspektion durch das europäische Antifolterkomitee

Über die Zeit zwischen 2015 und 2019 liegen belegte Berichte über systematische Folter in Riha vor, sagt Rechtsanwalt Vefa: „Dieser systematische Zustand ist zuletzt im Halfeti-Verfahren dokumentiert worden. Über fünzig Person wurden festgenommen. Sowohl als Menschenrechtsverein als auch als Anwaltskammer Urfa haben wir die Aussagen über die Folterung der Festgenommenen verfolgt. Es waren dieselben Berichte wie bisher. Fast alle der Festgenommenen haben von sexueller Folter und dem immer wieder geschilderten Raum berichtet. Nur eine Woche vorher hat das Komitee des Europarats für die Verhütung von Folter (CPT) die Polizeidirektion inspiziert. Es war wirklich sehr bedenklich, dass direkt nach dieser Inspektion derartig ernste Aussagen gemacht wurden. Also genau an dem Ort, den das CPT untersucht hat, sind eine Woche später ungefähr dreißig Personen nach eigenen Angaben gefoltert worden. Alle Schilderungen waren sehr ähnlich.“

Vefa hat zusammen mit anderen Anwält:innen und Menschenrechtler:innen Berichte über diese Folterungen veröffentlicht. Das hat seiner Meinung nach Wirkung gezeigt: „Internationale Menschenrechtsorganisationen haben nachgefragt, was in Urfa vor sich geht. In Urfa wird immer noch systematisch gefoltert, aber nach der Veröffentlichung des Halfeti-Berichts ist es weniger geworden. Nach wie vor wenden sich Menschen an den IHD und es gibt immer noch Folterfälle, aber nicht mehr in so massiver Form wie zwischen 2015 und 2019. Das bedeutet, dass die Folterer in den Hintergrund gerückt worden sind. Trotzdem wird in Urfa und einigen anderen Städten ein gesondertes Konzept umgesetzt. Damit wird versucht, die gesellschaftliche Opposition und eine Aufklärung zu verhindern. Das gilt für alle staatlichen Institutionen: Das Gouverneursamt, die Polizeidirektion, die Justiz. Die Straflosigkeit wird damit gefördert, das ist ein generelles Problem in der Türkei. Vor allem in Urfa tritt diese Politik sehr heftig auf. Ein prägnantes Beispiel dafür ist der Fall Şenyaşar.“

Die „Politik der Straflosigkeit“ gibt Folterern und anderen Gewalttätern Mut, betont Verfa: „Vor allem Sicherheitskräfte wissen genau, dass ihnen nichts passiert, wenn sie foltern. Das ist Teil des Spezialkonzepts. Seit den 1990er Jahren werden daher Menschen verschleppt, gefoltert und ermordet. Aus diesem Grund kann auch in Urfa ohne Sorge mit Elektroschocks, Palästinahaken und sexuell gefoltert werden. Urfa hat in dieser Hinsicht ein sehr schlechtes Zeugnis. Alle Strafanzeigen, die wir deshalb gestellt haben, sind im Sande verlaufen. In keinem einzigen Fall sind Ermittlungen eingeleitet worden. Das ermutigt die Folterer insgesamt.“

Die Türkei wird von einem Unterdrückungsregime regiert, das die Entstehung einer starken Zivilgesellschaft verhindert, meint Rechtsanwalt Vefa: „Es wird versucht, alle oppositionellen Stimmen einschließlich der Proteste gegen Folter und Misshandlung in staatlichem Gewahrsam zu unterdrücken. Trotzdem ist in Urfa in den letzten Jahren eine Opposition entstanden. Der IHD, die Anwaltskammer und anderen zivilgesellschaftliche Organisationen haben eine Sensibilität entwickelt und sind inzwischen in der Lage, gemeinsam auf Rechtsverletzungen zu reagieren.“