Große Zerstörung nach Bombardierung in al-Dardara

Die Ortschaft al-Dardara im christlich geprägten Chabur-Tal im Nordosten von Syrien ist immer wieder Ziel türkisch-dschihadistischer Angriffe. Jüngere Bombardierungen vom Freitag legten die Stromversorgung lahm. Zudem wurden mehrere Gebäude zerstört.

Die Ortschaft al-Dardara im christlich geprägten Til Temir ist immer wieder Ziel türkisch-dschihadistischer Angriffe. Zuletzt wurde das von Suryoye und Muslimen gemeinsam bewohnte Dorf am gestrigen Freitag von Besatzungstruppen des Nato-Staats Türkei bombardiert. Aktuelle Bilder von der Nachrichtenagentur Hawarnews (ANHA) zeigen das Ausmaß der Zerstörung.

Dem Bericht von ANHA ist zu entnehmen, dass die jüngsten Attacken auf al-Dardara die gesamte Stromversorgung in dem Ort lahmgelegt haben. Neben der Dorfschule und der Moschee richteten die Einschläge von Granaten auch massive Schäden an Wohnhäusern an. Einige der Unterkünfte sind vollständig zerstört. Die Bevölkerung beklagt zudem, dass das öffentliche Dorfleben faktisch nicht mehr existiert, da die Region nahezu pausenlos von türkischen Aufklärungsdrohnen überflogen wird.

So sieht al-Dardara nach der Bombardierung vom Freitag aus

Das Dorf al-Dardara, das auch unter dem Namen Dirdara bekannt ist, liegt etwa vier Kilometer nördlich von Til Temir am Rande der Schnellstraße 716, die Serêkaniyê mit Hesekê verbindet. Somit liegt die Ortschaft an strategischer Stelle. Til Temir nimmt ohnehin eine Schlüsselposition in den Besatzungsplänen der Türkei ein, weil die M4 durch die Kleinstadt zieht. Der internationale Verkehrsweg gilt als Lebensader des nördlichen Syriens, denn er verbindet die Regionen Euphrat und Cizîrê miteinander.

Türkische Bomben auf Wohnhäuser

Kämpfer des Militärrats der Suryoye verletzt

Verletzte bei der Zivilbevölkerung von al-Dardara forderten die jüngsten Angriffe auf das Dorf nicht. Allerdings wurde ein Kämpfer des Militärrats der Suryoye (MFS) verwundet. Der Kämpfer wird in einem Krankenhaus in Til Temir behandelt. Nähere Angaben zu seinem Gesundheitszustand liegen bislang nicht vor.

Von der Schule in al-Dardara ist nicht mehr viel übrig

Bombardierungen in Til Tawil

Die Aggression der türkischen Armee und ihrer dschihadistischen Proxytruppen gegen Til Temir setzte sich auch an diesem Samstag fort. Betroffen von dem Artilleriebeschuss ist das assyrische Dorf Til Tawil, dessen historischer Name Bnay Roumta lautet. Das ganze Ausmaß der Bombardierungen ist noch unklar, da der Beschuss vereinzelt andauert. Zudem kommt es über Til Temir aktuell zu Aufklärungsflügen mutmaßlich türkischer Drohnen. Auch eine Killerdrohne ist am Himmel über der Region gesichtet worden.

Christlich geprägte Region

Entlang des Chabur-Tals im Nordosten Syriens erstreckt sich der Fluss Chabur. Hier, wo die Stadt Til Temir (kurdischer Name: Girê Xurma), ein Spiegelbild des Bevölkerungsmosaiks Syrien liegt, ließen sich 1933 Assyrer:innen aus Colemêrg (tr. Hakkari) –, die während des Genozids an den christlichen Völkern im Osmanischen Reich zwischen 1914 und 1918 in den Nordirak geflohen waren, nieder. Das Siedlungsgebiet bekamen sie vom Völkerbund in Genf zugesprochen. Ihrem zweiten Exodus ging das Massaker von Simele voraus: etwa 9.000 Assyrer:innen, hauptsächlich Männer und Jugendliche, wurden in verschiedenen Dörfern in der Region Dihok ermordet. Das besonders betroffene Dorf Simele wurde Namensgeber dieses Genozids. Dort starben unter der Führung des irakischen Militärs etwa 350 Menschen.

Im flachen Tal des Chabur gründeten die Assyrer:innen aus Colemêrg 33 Dörfer, die chaldäische Gemeinschaft ließ sich in weiteren drei Dörfern nieder. Vor Kriegsbeginn 2011 lebten hier noch etwa 20.000 Assyrer:innen, in fast jeder Ortschaft gab es eine Kirche. Jetzt sind keine 1.000 Menschen mehr übrig. Wegen der Dschihadisten flohen fast alle Bewohner:innen ins Ausland, die meisten gingen nach Kanada, Australien oder in die USA. Einige der Dörfer sind völlig leer, die Gebliebenen sind meist ältere Leute. Auch leben inzwischen Binnenvertriebene aus anderen Regionen des Landes in Til Temir.

Seit der am 9. Oktober 2019 gestarteten Invasion des türkischen Staates in Serêkaniyê (ar. Ras al-Ain) und Girê Spî (Tall Abyad) sind bereits mehr als dreißig Dörfer vor Til Temir besetzt worden. Zu Angriffen in der Region kommt es nahezu täglich, Phasen mit hoher Intensität wechseln sich mit Phasen niedriger Intensität ab. 27 Dörfer im Chabur-Tal liegen direkt an der Frontlinie, fünf aller assyrischer Dörfer in der Region wurden durch die Kriegshandlungen der Türkei bereits entvölkert. Zahlreiche Menschen sind bei den Angriffen getötet worden, Dutzende wurden verletzt. Die in Til Temir stationierten syrischen Truppen und die russischen Militärs erfüllen ihre Funktion zur Einhaltung des Deeskalations- und Waffenstillstandabkommens nicht.