EGMR lässt Klage von Abdullah Öcalan zu

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Klage von Abdullah Öcalan gegen Griechenland im Zusammenhang mit seiner Auslieferung an die Türkei zugelassen.

Einer Nachricht der Deutschen Welle (DW) zufolge hat der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Klage zugelassen, die Abdullah Öcalan über seine Anwält:innen gegen Griechenland eingereicht hat. In dem Verfahren geht es um die Rolle Griechenlands bei dem internationalen Komplott, das 1999 zur Verschleppung Öcalans in die Türkei geführt hat. Dadurch ist der Weg freigemacht für eine Aufarbeitung der Ereignisse und der Aufklärung der Rollen der verschiedenen Staaten in dem Komplott.

Unter anderem hat Öcalan gegen seine Auslieferung an die Türkei, die Nichtbearbeitung seines Asylantrags, die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit ohne jede Rechtsgrundlage und das Verwehren der Möglichkeit, gegen diese Maßnahmen vor einem griechischen Gericht vorzugehen, geklagt. Dadurch wurde nach Ansicht des Klägers gegen mehrere Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen.

Abdullah Öcalan war während seinem Aufenthalt auf griechischem Hoheitsgebiet mehrfach ohne rechtliche Grundlage festgesetzt worden, so etwa am 9. Oktober 1998 auf dem Flughafen Athen, während seines Aufenthalts auf der Insel Korfu vom 29. Januar bis zum 2. Februar 1999 und vom 2. bis zum 15. Februar 1999 in der griechischen Botschaft in Kenia.

Griechisches Gericht hat Antrag abgelehnt

Vor seiner Klage beim EGMR hatte sich Abdullah Öcalan am 4. Dezember 2008 wegen seiner Auslieferung an die Türkei an das Verwaltungsgericht Athen gewandt und geltend gemacht, dass die 1999 von den griechischen Behörden gegen ihn getroffenen Entscheidungen gegen den Grundsatz verstoßen, eine Person nicht ohne Prüfung des Asylantrags abzuschieben. Öcalan hatte sogar zwei Anträge auf politisches Asyl gestellt. Das Gericht wies seinen Antrag jedoch am 30. Januar 2017 ab.

Verwaltungsgericht Athen: „Entscheidungen waren rein politisch“

In der Urteilsbegründung gab das Gericht zu, dass die Entscheidung, Abdullah Öcalan an die Türkei auszuliefern, eine rein politische Entscheidung war. „Die von der griechischen Regierung verfolgte Politik entzieht sich der Kontrolle der Verwaltungsgerichtsbarkeit", hieß es in der Begründung. Der Zeitraum zwischen dem 29. Januar und dem 15. Februar hätte auch gar nicht ausgereicht, um Abdullah Öcalans Antrag zu prüfen, so das Gericht weiter. Auch die Verstrickung der Geheimdienste wird in der Urteilsbegründung erwähnt: Der Staat könne nicht für den Schaden verantwortlich gemacht werden, der durch den Irrtum von Geheimdienstbeamten entstanden ist.

Verfahrensbeteiligte wurden zur Stellungnahme aufgefordert

Der EGMR hat im Rahmen der Bearbeitung der Klage Abdullah Öcalans sowohl seine Anwält:innen als auch die griechische Regierung um Stellungnahmen gebeten. Das Gericht fordert von der griechischen Regierung vor allem eine Antwort auf die Frage, ob Abdullah Öcalan von griechischen Agenten an den türkischen Staat übergeben wurde. Die Verfahrensbeteiligten haben zwölf Wochen Zeit, um dem Gericht ihren Standpunkt mitzuteilen. Auf der Grundlage dieser Stellungnahmen wird der EGMR voraussichtlich innerhalb des nächsten Jahres ein Urteil in der Sache Abdullah Öcalan gegen Griechenland fällen. Das Gericht kann in diesem Verfahren auch eine Anhörung anberaumen.

EGMR stellte bereits mehrmals Verstöße gegen Menschenrechtskonvention fest

Abdullah Öcalan hatte bereits 1999 eine Klage gegen die Türkei beim EGMR eingereicht, direkt nach seiner Verschleppung aus Kenia in die Türkei. Seine Verteidiger:innen wandten sich an die Straßburger Justiz mit der Begründung, dass das Leben ihres Mandanten in Gefahr sei, er misshandelt werde und kein faires Verfahren erhalten würde. Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und Misshandlung (CPT), das als erste und einzige ausländische Delegation am 2. März 1999 die Gefängnisinsel Imrali besuchte, veröffentlichte im Mai 1999 einen Bericht, in dem es zunächst hieß, dass Abdullah Öcalan nicht gefoltert und misshandelt worden sei.

Der EGMR, der die Klage von Abdullah Öcalan nach einer Anhörung in Straßburg am 21. November 2000 für zulässig erklärte, stellte in seinem ersten, am 12. März 2003 verkündeten Urteil fest, dass sowohl das Recht auf ein faires Verfahren (Artikel 6 der EMRK) als auch das Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5 EMRK) verletzt worden seien, außerdem habe die Türkei gegen das Verbot von Misshandlungen (Artikel 3 EMRK) während des Gerichtsverfahrens gegen Abdullah Öcalan verstoßen.

2014 wurde das zweite Verfahren von Abdullah Öcalan gegen die Türkei vor dem EGMR abgeschlossen. Der Straßburger Gerichtshof, der eine Beschwerde auf der Grundlage von Artikel 3 der EMRK prüfte, entschied, dass die Haftbedingungen, denen Abdullah Öcalan bis zum 17. November 2009 ausgesetzt war, eine Menschenrechtsverletzung darstellten. Die Haftbedingungen nach diesem Datum würden die EMRK jedoch nicht verletzen, urteilte das Gericht und behauptete, dass das Besuchsrecht nicht verletzt worden sei. Des weiteren hat der EGMR auch in einer auf Artikel 3 der EMRK gestützten Klage gegen die lebenslange Haft ohne die Möglichkeit der Bewährung eine Verletzung des „Rechts auf Hoffnung" festgestellt.