Mahnwache zum Prozessende im Fall der Tötung von Besma A.

Zum Prozessende im Fall der Tötung von Besma A. ruft die AG Prozessbegleitung am 12. Dezember zu einer Mahnwache vor dem Landgericht Göttingen auf.

Es ist der 14. April 2020 im niedersächsischen Einbeck: Die 27-jährige Besma A. schläft auf dem Sofa, als ihr Ehemann Cemal A. die dreifache Mutter mit einem Kopfschuss tötet. Er habe sie beim Reinigen der illegal erworbenen Pistole versehentlich erschossen, sagte der Mann später der Polizei. Das Landgericht Göttingen wirft ihm heimtückischen Mord vor. Kommende Woche geht der Prozess gegen den 50-Jährigen voraussichtlich zu Ende. Die AG Prozessbegleitung ruft für Montag um 11.30 Uhr zu einer Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude auf. Damit will  die Arbeitsgemeinschaft, die sich aus verschiedenen feministischen Initiativen und Frauenbegegnungsstätten zusammengeschlossen hat, an die ermordete Besma A. erinnern und die Prozessbeteiligten dazu auffordern, den Femizid an der ezidischen Kurdin aus Şengal in den Plädoyers und im Urteil anzuerkennen.

Gerechtigkeit für Besma A.

„Als Prozessbegleitungsgruppe fordern wir Gerechtigkeit für Besma A. Das bedeutet für uns, dass Besma nicht vergessen wird, dass der Mord an ihr eine Mahnung an die Gesellschaft ist, die deutlich macht, dass jeden Tag klar Position gegen Feminizide bezogen werden muss – im Alltag, vor den Gerichten und in den Parlamenten“, so Nele Möhlmann von der Gruppe.

Strafverteidigung verhöhnt Opfer und deren Angehörige

Aus Sicht der AG Prozessbegleitung wurde im bisherigen Prozess nicht ausreichend thematisiert, dass Besma A. durch Cemal A. wiederkehrend patriarchale Gewalt erleiden musste, die in dem Mord an ihr – einem Femizid – gipfelte. Am Montag werden eine weitere Nebenklagevertreterin sowie die Strafverteidigung plädieren. Die AG Prozessbegleitung stellte in der bisherigen Beobachtung des Prozesses fest: Obwohl dem Gericht Beweise für die patriarchale Gewalt von Cemal A. gegenüber Besma A. vorlagen, ist die Staatsanwaltschaft dem in ihrem Agieren während des Prozesses sowie in ihrem Plädoyer nicht weiter nachgegangen. Insbesondere die Strafverteidigung hat in der Vergangenheit die patriarchale Gewalt gegenüber Besma A. systematisch geleugnet und das Opfer sowie die Angehörigen verhöhnt. Sie zielt darauf ab, Cemal A. als schuldunfähig darzustellen, weil er zum Tatzeitpunkt unter Alkoholeinfluss stand.

Gerichtsprozess reproduziert patriarchale Strukturen

„In den Verhandlungstagen beobachten wir, wie der Gerichtsprozess patriarchale Strukturen reproduziert und dabei viele typische Merkmale von Prozessen, in denen über Gewalt gegen Frauen und Femizide verhandelt wird, aufweist: Den Angehörigen der Getöteten wird die Glaubwürdigkeit in ihren Zeuginnenaussagen abgesprochen. Durch die Verteidigung wird infrage gestellt, dass der Tötung eine Gewaltbeziehung vorausging, obwohl es dafür zahlreiche Beweise, wie etwa Fotos und Sprachnachrichten, gibt. Das Tragen moderner Kleidung und das Besuchen eines Deutschkurses werden als Indikatoren für die Unabhängigkeit von Besma A. gedeutet. Daraus wird geschlussfolgert, dass sie sich, wenn ihrer Tötung eine Gewaltbeziehung vorausgegangen sei, hätte trennen können. Damit wird ihr implizit eine Verantwortung für das ihr Wiederfahrene zugeschrieben“, so Möhlmann weiter. Dabei wollte sich Besma A. scheiden lassen, sagte ihre Schwester, die als Nebenklägerin auftritt.

Jeden dritten Tag geschieht ein Femizid in Deutschland

Statistisch stirbt in Deutschland mehr als jeden dritten Tag eine Frau durch die Hände ihres (Ex-)Partners, jeden Tag geschieht ein versuchter Femizid. Für eine Frau ist die gefährlichste Phase in einer Beziehung die, in der sie sich für die Trennung entschieden hat. Diesem gesellschaftlichen Problem wird der Gerichtsprozess nicht gerecht, so das Urteil der AG Prozessbegleitung.