Frauenprotest in Istanbul: Die Straße gehört uns!

In Istanbul hat die Polizei bei einer Demonstration gegen Gewalt an Frauen Tränengas und Plastikgeschosse gegen die Menge eingesetzt. Die Protestierenden hatten unter dem Motto „Die Straße gehört uns“ versucht, eine Polizeiabsperrung zu durchbrechen.

In der Türkei sind am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, um ein starkes Zeichen gegen Frauenfeindlichkeit und patriarchale Machtansprüche zu setzen. In Istanbul nahmen mehrere hundert Frauen, Mädchen und LGBTQI+ an einer Demonstration der „Frauenplattform 25. November“ teil, die unter dem Motto „Unsere Rebellion gegen männliche Staatsgewalt ist nicht vorbei, sie wächst“ stattfand. Sie trugen Banner mit Aufschriften wie „Wir erheben uns gegen die Welt“ und „Es ist die Ära von Sieg und Freiheit“ und „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frauen, Leben, Freiheit) und forderten die Regierung auf, zur Istanbul-Konvention zurückzukehren.

Die Demonstration startete am Tünel und zog über die Istiklal Caddesi. Die Polizei hatte im Vorfeld mehrere Straßen und Gassen, die zu der Einkaufsmeile im zentralen Stadtteil Beyoğlu führen, abgesperrt. Als die Protestierenden auf der Höhe des russischen Konsulats versuchten, eine Absperrung zu durchbrechen, setzte die Polizei Tränengas und Plastikgeschosse ein. Die Organisatorinnen sprachen von mehreren dutzend Personen, die dabei verletzt wurden. Unter ihnen befanden sich den Angaben nach auch mehrere Journalistinnen und Journalisten, darunter der ArtıTV-Kameramann Bilal Meyveci. Der Sender berichtete, dass Meyveci aus nächster Nähe gezielt mit Tränengas beschossen wurde.

Die Demonstrierenden blieben unbeeindruckt von der Gewalt der Polizei und riefen immer wieder lautstark „Die Straße gehört uns“. Anschließend zogen sie zurück zum Tünel und setzten ihren Marsch von dort aus Richtung Karaköy fort.

Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen

Der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen wird seit 1981 als Gedenk- und Aktionstag zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form gegenüber Frauen und Mädchen begangen und wurde 1999 von den Vereinten Nationen offiziell initiiert, geht jedoch auf eine historische Begebenheit im Jahr 1960 zurück: Die Ermordung der Schwestern Patria, Minerva und Maria Teresa Mirabal am 25. November 1960 durch Schergen der dominikanischen Diktatur. Die drei Schwestern und deren Ehemänner waren Teil der Gruppe „Agrupación política 14 de junio“ (Bewegung des 14. Juni), die gegen das Regime der Dominikanischen Republik agierte und den Sturz des Diktators Rafael Trujillo plante. Nachdem der Aufstand der Bewegung gegen das Regime gescheitert war, wurden Mitglieder der Familie Mirabal inhaftiert, auf Druck der USA und der Organisation Amerikanischer Staaten kurze Zeit später wieder freigelassen. Die Männer von Patria, Minerva und Maria Teresa Mirabal blieben jedoch in Haft. Am 25. November 1960 besuchten die drei Schwestern ihre Männer im Gefängnis von Puerto Plata und wurden auf dem Rückweg von Handlangern des Regimes erdrosselt. Seitdem gelten die „Hermanas Mirabal“, die innerhalb ihrer Gruppe als Las Mariposas (Die Schmetterlinge) bekannt waren, in der Dominikanischen Republik und an vielen anderen Orten der Welt als Symbol für den Widerstand gegen die Diktatur und das Patriarchat.