„Femizide sind Teil des Spezialkriegs in Kurdistan“

Nach dem brutalen Mord an Sakine Kültür durch einen Paramilitär in Silopiya protestieren Frauen gegen Femizide als Teil des Spezialkriegs in Kurdistan.

In Nordkurdistan und der Türkei protestieren Frauen gegen den brutalen Mord an Sakine Kültür durch einen Paramilitär. Der Leichnam der vierzigjährigen Kurdin war am Samstag auf einer Mülldeponie in Silopiya in der Provinz Şirnex (tr. Şırnak) entdeckt worden. Bei dem Täter handelt es sich um Ibrahim Barkın, den Vorsitzenden eines Vereins paramilitärischer Spezialeinheiten. Der Mann soll die Mutter von fünf Kindern mit sechs Messerstichen ermordet und dann ihr Gesicht angezündet haben. Seit Bekanntwerden des Femizids finden Protestaktionen statt.

In Silopiya verurteilten Aktivistinnen der Frauenbewegung TJA, der Initiative der Friedensmütter und des Frauenrats der HDP den Mord an Sakine Kültür am Montag mit einem Sit-In auf der Straße. Die Aktivistin Evin Hasanoğlu erklärte, dass Frauen immer und überall von Gewalt bedroht sind und Feminizid ein gesellschaftliches Problem ist. Dahinter stehe eine patriarchale Herrschaftsmentalität, die Frauen als Besitz betrachte und Gewalt an ihnen legitimiere. Durch die herrschende Politik der Straflosigkeit würden die Täter ermutigt. Die Aktivistinnen forderten eine konsequente Bestrafung der Täter und liefen nach der Erklärung geschlossen zu dem Haus, in dem Sakine Kültür gelebt hat.

Am Grab von Sakine Kültür in Ebex

Sakine Kültür ist in Ebex (Çaldıran) in der Provinz Wan beigesetzt worden. Aktivistinnen der TJA und Mitglieder der HDP, des Frauenvereins STAR, der Juristenvereinigung ÖHD und der Anwaltskammer besuchten heute das Grab und statteten den Angehörigen anschließend einen Beileidsbesuch ab. Emine Bozkurt vom Frauenverein STAR erklärte, dass Femizide in Kurdistan Teil des staatlichen Spezialkriegs seien: „Der Staat setzt seine Kriegspolitik in Kurdistan über die Körper von Frauen und Kindern um. Unsere Freundin Sakine ist in Silopiya von einem Staatsbediensteten gefoltert und ermordet worden. In unserer Region kommt das immer wieder vor. Die Täter haben häufig Rangabzeichen und sehen den Staat hinter sich. Sie sind völlig gelassen, weil der Staat eine Politik der Straflosigkeit praktiziert. Frauen und Mädchen sind täglich sexualisierten Angriffen ausgesetzt. Sie werden vergewaltigt, gefoltert und ermordet. An dieser Stelle fordern wir ein weiteres Mal: Nehmt die Hände von unseren Körpern und unseren Kindern!“

Ideologische Nähe zu Grauen Wölfen

Der Mörder Ibrahim Barkın ist Vorsitzender des Ortsverbands des Vereins „Özel Harekat Ocakları“ in Şirnex. Zweigstellen gibt es in mehreren Städten. Viel ist nicht bekannt über diese Vereinigung, die sich selbst als „Organisation für die Zivilgesellschaft“ bezeichnet. Die Mitglieder setzen sich augenscheinlich aus Anhängern der Sondereinsatzkommandos der Polizei (PÖH) und der Gendarmerie (JÖH) zusammen, die auf „Terrorbekämpfung“ spezialisiert sind. Im kurdischen Teil des Landes bedeuten die Aktivitäten dieser Spezialeinheiten Kriegsverbrechen und schwerste Menschenrechtsverletzungen unter dem Deckmantel der sogenannten Aufstandsbekämpfung. Ideologisch scheinen sich die „Özel Harekat Ocakları“ nicht von den „Idealisten-Vereinen“ der ultranationalistischen Bewegung der rechtsextremen „Grauen Wölfe“ zu unterscheiden.