Besê Erzincan: „Frauen müssen ihren Kampf verstärken“

Besê Erzincan (KJK) weist auf die Bedeutung der Ideen von Abdullah Öcalan für den internationalen Frauenbefreiungskampf hin. Der kurdische Vordenker habe betont, dass Frauen eine jahrtausendealte Leidenschaft für die Freiheit in sich tragen.

Besê Erzincan hat sich in einem auf Jin TV ausgestrahlten Interview zur Bedeutung der Ideologie von Abdullah Öcalan und ihrer praktischen Umsetzung in der PKK für die Entwicklung eines internationalen Frauenkampfes geäußert. Erzincan ist Mitglied der Koordination der KJK (Gemeinschaft der Frauen Kurdistans) und ruft Frauen auf, noch stärker zu kämpfen.

Vor allem sei es von Bedeutung, Abdullah Öcalans Freiheitsphilosophie noch besser zu verstehen und weiter zu verbreiten. Auch dies sei vor allem eine Aufgabe der Frauen, erklärte Besê Erzincan in der Sendung „Xwebûn“ bei Jin TV. Es sei wichtig, die auf dem Rücken von Frauen ausgetragenen Machenschaften zu erkennen und zu analysieren und einen Ausweg aus dieser Spirale aufzuzeigen.

Die Menschheit habe sich durch die Frau zu einer Gesellschaft entwickelt, und durch diese Gesellschaft sei die Evolution bis in die Neuzeit fortgeschritten. Diese historische Realität sei von den Männern verdreht worden. Mit Gewalt seien den Frauen ihre Errungenschaften und die von ihnen erschaffenen Werte gestohlen worden. Das von Frauen geschaffene System wurde von Männern in ein hierarchisches Klassensystem umgewandelt, in dem Frauen keine Rolle mehr spielten, so Besê Erzincan. Frauen seien zu machtlosen Objekten degradiert und unsichtbar gemacht worden.

Die Mauern durchbrechen

Hohe Mauern seien entstanden zwischen Frauen und Männern. Der Ursache dafür liege in der Rückständigkeit, in der Mentalität des Herrschens, in Despotismus, Macht, Staat, Hierarchie. Je höher die Mauern gezogen werden, umso stärker ausgeprägt seien die Trennung zwischen Frauen und Männern, Ungleichheit und Ausbeutung. Wo diese Mentalität sich ausbreite, werde die Freiheit verdrängt, so Erzincan. Und wo es keine Freiheit gibt, könne es keine Zuneigung und schon gar keine Liebe geben.

Abdullah Öcalan habe sich immer stark für die Abschaffung dieser Ungleichheit und Ausbeutung engagiert. „Mit dem von ihm entwickelten Kampf wollte er die seit tausenden von Jahren immer höher gewordenen Mauern einreißen“, erklärte Besê Erzincan. Sein Lebensweg ähnele der Geschichte von Prometheus, der das Feuer von den Göttern stahl, um damit die Menschen zu erleuchten. Abdullah Öcalan habe das, was den Frauen von den Männern gestohlen wurde, durch seinen Kampf den Frauen zurückgegeben. Und ähnlich Prometheus, der zur Strafe von den Göttern an einen Fels gebunden wurde, sei Abdullah Öcalan in einem internationalen Komplott verschleppt worden und sei seit 23 Jahren in einem Hochsicherheitsgefängnis in totaler Isolation gefangen. Da gebe es tatsächlich Ähnlichkeiten. Abdullah Öcalan habe vieles zurückgegeben - vom Patriarchat den Frauen, vom Staat an die Gesellschaft, von den Mächtigen an die, denen das eigentliche Recht zusteht.

Die patriarchale Mentalität nimmt Frauen die Luft zum Atmen

Abdullah Öcalan habe vom ersten Tag an einen sehr mutigen Umgang mit Frauen gepflegt, erklärte Erzincan. Der Nahe Osten habe eine sehr konservative, dogmatische und reaktionäre Einstellung gegenüber Frauen. Diese Mentalität habe den Frauen im Nahen Osten die Luft zum Atmen genommen. Nach Einführung des Islam seien Frauen im Namen des Islam unterdrückt worden. Bei den kurdischen Frauen sei die Situation jedoch etwas anders. Eine Frau aus einem Volk ohne anerkannte Identität zu sein, bedeute doppelt ausgebeutet und ignoriert zu werden. Kurdinnen seien somit in der Situation, eine Kolonie der Kolonisierten zu sein. Abdullah Öcalan habe den Kampf für Frauenbefreiung unter diesen schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen gewagt.

Ohne die Befreiung der Frau ist keine Freiheit möglich

Es sei wichtig, nationale Befreiungskämpfe zu führen. Das kurdische Volk brauche die nationale Befreiung, aber die Frage, wie diese Befreiung erreicht werden sollte, sei äußerst wichtig, so Besê Erzincan: „Natürlich kann es kein richtiger Kampf für die Freiheit sein, wenn Frauen in einem befreiten Land weiterhin als Sklavinnen leben. Rêber Apo [Abdullah Öcalan] hat immer wieder die Frage gestellt, wie ein freies Kurdistan sein soll. Zu diesem Thema schrieb er die Analyse ,Wie leben?'. Sein Hauptziel war es, eine Alternative zu diesem bestehenden System zu schaffen. Sein Ansatz war im Vergleich zu anderen revolutionären Bewegungen sehr radikal. Er sagte: ‚Unsere Revolution ist die Revolution der Frauen‘.“

Die Revolution der PKK ist eine Revolution der Frauen

Die PKK habe ihren Kampf vom ersten Tag an auf der Grundlage des Verständnisses der Frauenbefreiung geführt und versucht, die Gesellschaft, die sie aufbauen wollte, auf Basis des Paradigmas eines genderbefreiten gesellschaftlichen Modells zu erziehen und vorzubereiten. Mit diesem Ziel habe die PKK erfahrene, kämpferische Kader ausgebildet, die von ganzem Herzen an die Frauenrevolution glaubten und für sie gearbeitet haben. Ohne Organisierung könne keine Revolution verwirklicht werden, betonte Erzincan. Aus diesem Grund habe Abdullah Öcalan eine einzigartige Frauenorganisation begründet.

Ausbruch aus Jahrtausenden der Ausbeutung und patriarchaler Mentalität

„Für uns war es anfangs ein bisschen schwierig“, erinnerte sich Besê Erzincan daran, wie die Frauen den authentischen Kampf für Frauenbefreiung aufnahmen. „Jahrtausendelang waren wir mit der Ausbeutung und der Mentalität des Patriarchats aufgewachsen. Zum ersten Mal in der Geschichte wollte jemand etwas für Frauen erreichen. Das war anfangs problematisch für uns. Später, als wir unsere eigene Realität erkannten und die Ketten der Sklaverei abwarfen, begannen wir mit diesem Kampf. Durch unsere Praxis konnten wir neue Erfahrungen sammeln und Verbesserungen vornehmen. Für Rêber Apo waren Frauen sehr wertvoll und kostbar. In den 1990er Jahren waren wir sehr jung und unerfahren, trotzdem schätzte er uns sehr. Er unternahm große Anstrengungen, damit wir uns weiterentwickeln. Jeder von uns wurde eine große Rolle und Verantwortung zugewiesen. Er behandelte Frauen immer mit großer Liebe und Respekt. Seine Einstellung zu Frauen war stets auf Sublimierung ausgerichtet. Er warnte immer wieder vor männerdominanten Ansätzen und klärte auf.“

Frauen tragen eine jahrtausendealte Leidenschaft für die Freiheit in sich

„Die Frauen sind diejenigen, die mich am besten verstehen und meine Theorien anwenden sollten", habe Abdullah Öcalan immer wieder betont. Er habe darauf bestanden, weil er wusste, dass Frauen eine jahrtausendealte Leidenschaft für die Freiheit in sich tragen. „Diese Leidenschaft macht Frauen kämpferischer“, so Erzincan. „Frauen haben Tausende von Jahren der Rache gegen dieses System zu nehmen. Schon aus diesem Grund müssen Frauen sich mehr als alle anderen für die Verbreitung der Freiheitsphilosophie von Rêber Apo einsetzen. Als Frauen müssen wir uns im Licht des Paradigmas von Rêber Apo bilden und dieses Paradigma an die gesamte Menschheit weitergeben. Das ist unsere Aufgabe, mehr als alles andere. In dieser Hinsicht sind wir noch unzureichend. Ja, wir lieben Rêber Apo sehr, aber wir verstehen ihn nicht ausreichend und setzen seine Vorstellungen nicht um.“

Abschließend betonte Besê Erzincan, das die Philosophie Abdullah Öcalans zwar in Kurdistan entstanden sei, aber die Befreiung der gesamten Menschheit zum Ziel habe.