Tausende bei „Defend-Kurdistan“-Demonstration in Berlin

Mehrere tausend Kurdinnen und Kurden sowie Unterstützende haben am Sonnabend in Berlin gegen die kriegerische Aggression der Türkei in Syrien und dem Irak protestiert. Die Polizei trat äußerst aggressiv auf und führte gewaltsame Festnahmen durch.

Mehrere tausend Kurdinnen und Kurden sowie Unterstützende haben am Sonnabend in Berlin gegen die kriegerische Aggression der Türkei in Syrien und dem Irak protestiert. Nach Angaben des Organisationskomitees beteiligten sich etwa 5.000 Menschen an der Bündnisdemonstration kurdischer, internationalistischer und antifaschistischer Gruppen, deren Motto „Defend Kurdistan – Gegen türkische Besatzung und US-Imperialismus“ lautete. Die Polizei sprach wie bei jeder Veranstaltung der kurdischen Community von weit weniger Teilnehmenden und verhielt sich der Menschenmenge gegenüber offensiv. Besonders der kämpferische Jugendblock wurde aggressiv angegangen, türkischstämmige Beamte traten mit Beleidigungen und Beschimpfungen gegenüber Protestierenden in Erscheinung.


Im Windschatten des russischen Krieges auf die Ukraine hat die Türkei ihre Angriffe gegen die kurdischen Gebiete in Syrien (Rojava/Westkurdistan) und dem Irak (Başûr/Südkurdistan) intensiviert. Parallel zu der am 17. April unter Zuhilfenahme von Nato-Mitteln eingeleiteten Invasion in Zap, Avaşîn und Metîna eskalieren die Angriffe aktuell vor allem in jenen Gebieten Rojavas, die Ankara neben den bereits besetzten Regionen ebenfalls in die als „Sicherheitszone“ verbrämte Besatzungszone eingliedern will. „Ohne Rücksicht auf Verluste bombardieren türkische Flugzeuge, Kampfdrohnen und Artillerie, zivile Wohngebiete und zum Überleben notwendige Infrastruktur. Aus den Bergen Südkurdistans erreichen uns Berichte, dass die türkische Armee, wie schon im vergangenen Jahr, chemische Waffen und Giftgase gegen die kurdischen Guerillaeinheiten einsetzt“, hieß es im Aufruf zur Demonstration.

Die Demonstration hatte sich mittags am Potsdamer Platz in Bewegung gesetzt. Zum Auftakt wurde ausgiebig getanzt, die Teilnehmenden solidarisierten sich mit Parolen mit der kurdischen Guerilla. Die Polizei war mit einem großen Aufgebot vor Ort, akribisch wurden Transparente begutachtet. Zu Beginn der Veranstaltung wurde eine Schweigeminute für die Gefallenen des kurdischen Befreiungskampfes abgehalten. In Redebeiträgen von Vertreter:innen diverser Organisationen wurde im Kontext Kurdistan die westliche Doppelmoral kritisiert. Seit Wochen greift die türkische Armee faktisch ohne Unterbrechung kurdische Gebiete an. Im Gegensatz zu Russland wird die Türkei vom Westen dafür nicht verurteilt. Bei der kurdischen Gesellschaft stößt das auf Unverständnis.

Vorläufige Festnahmen

Unter Parolen, einem Fahnenmeer in den Farben Grün, Rot und Gelb und mit kreativen Transparenten zog die Demonstration zum Brandenburger Tor Richtung US-Botschaft. Immer wieder wurde der Marsch von der Polizei wegen vermeintlichen Verstößen gegen das Vereinsgesetz – konkret ging es um angeblich verbotene Parolen – aufgehalten. Die Beamt:innen , insgesamt seien mehr als tausend Polizist:innen im Einsatz gewesen, traten teilweise brutal auf. Mehrere Teilnehmende wurden gewaltsam aus der Demonstration gezogen und abgeführt. Das Organisationskomitee meldete mindestens fünfzehn vorläufige Festnahmen und eine bislang unbekannte Zahl an Verletzten. Aktuell sollen sich zwei Betroffene weiterhin in Polizeigewahrsam befinden.

Nato-Krieg gegen das kurdische Volk

An der abschließenden Kundgebung traten unter anderem die Ko-Vorsitzenden des kurdischen Dachverbands KON-MED, Zübeyde Zümrüt und Engin Sever, die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (DIE LINKE), die Sprecherin des Kurdischen Frauenverbands in Deutschland (YJK-E), Ayten Kaplan sowie der Exilpolitiker und ehemalige HDP-Abgeordnete Ahmet Yıldırım als Redner:innen auf. In den Beiträgen wurde auf die immer wieder als Legitimierung für die antikurdische Gewalt der Türkei verwendete Argumentation verwiesen, die Angriffe richteten sich gegen Provokationen der PKK. „Unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht und die Behauptung, die nationale Einheit der Türkei sei bedroht, wird ein Nato-Krieg gegen das kurdische Volk geführt“, sagte Kaplan. Mit einem „Antiterrorkampf“, wie es in Ankara stets heißt, hätten diese Angriffe überhaupt nichts zu tun. Ziel der Türkei sei vielmehr, die autonomen Strukturen der Kurdinnen und Kurden zu zerschlagen und Teile von Syrien und dem Irak zu annektieren.

Für gute Stimmung zum Abschluss sorgte das musikalische Urgestein Hozan Cömert mit seinen Liedern.