Dialoge mit Öcalan: Die ökologische Krise

Auch im Februar, im Monat des Internationalen Komplotts des Jahres 1999, welches zur Verschleppung von Abdullah Öcalan ins Hochsicherheitsgefängnis Imrali in der Türkei führte, trafen sich Interessierte zur Veranstaltungsreihe „Dialoge mit Öcalan“.

30 Interessierte kamen auch in diesem Monat im Berliner Café Morgenrot zum politischen Montagssalon zusammen, um sich mit den Ideen des Philosophen und politischen Vordenkers der Freiheitsbewegung Kurdistans, Abdullah Öcalan, zu beschäftigen.

„In der Moderne ist der Mensch nicht nur dem Menschen, sondern der ganzen Natur zum Wolf geworden“ – Abdullah Öcalan


Zu Beginn stellte der Referent kurz die Initiative Demokratischer Konföderalismus (IDK) vor und unterstrich dabei die globale Bedeutung des Paradigmas der Freiheitsbewegung. Betont wurde die Perspektive der IDK auf der Grundlage der Ideen der Demokratischen Moderne, Lösungen auch für die gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland zu finden.

Eine zentrale Herausforderung ist die ökologische Krise. Bewusst wurde dabei nicht nur von der Klimakrise oder von ökologischer Zerstörung gesprochen, sondern von der ökologischen Krise als ein Aspekt des Multizid-Regimes der Kapitalistischen Moderne. Diese Krise umfasst die Zerstörung der Natur, die Vernichtung ganzer Gesellschaften und systematische Angriffe gegen Frauen und weitere unterdrückte Geschlechter. Die ökologische Krise kann also nicht losgelöst von anderen Krisen betrachtet werden.

Macht, Patriarchat und Staat als Ursprung der ökologischen Krise

Um die ökologische Krise lösen zu können, ist es wichtig zu verstehen wie sie entstand. Für dieses Verständnis sind die Analysen von Öcalan im Zusammenhang mit dem Konzept der Sozialen Ökologie von Murray Bookchin wichtig. Für beide ist die ökologische Krise nicht loszulösen von den gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie analysieren die Entwicklungen von Staat und Macht, die Durchsetzung des Patriarchats, die Entstehung der ersten Städte und Klassen im Zusammenhang der Veränderung des Verhältnisses zwischen Mensch und Natur. Beide ziehen die Linie von der Vorstellung des Menschen als Teil der Natur zu einer Vorstellung, in der sich Mensch und Natur gegensätzlich, ja sogar feindlich gegenüberstehen und die Natur nur als Ressource betrachtet wird.

In der Veranstaltung wurde dieser Veränderungsprozess an Beispielen aus der Geschichte des Mittleren Ostens, aber auch – denn das ist die Arbeit der IDK – an vielen Ereignissen aus der Geschichte der Gesellschaften im heutigen Deutschland aufgezeigt. Dabei wurde u.a. Bezug genommen auf die Fällung der Donar Eiche im 8. Jahrhundert, als Symbol der Zerstörung und Christianisierung von Stammesgesellschaften, in denen auch der Natur eine Heiligkeit zugesprochen wurde. Weitere Beispiele waren die Prozesse der Privatisierung von Land im Zuge der Durchsetzung des Feudalismus und der Einhegung von kollektiv bewirtschafteten Allmende-Flächen, die Veränderung des gesellschaftlichen Verhältnisses zur Natur durch die Hexenverfolgung, dem größten Feminizid der Geschichte. Tiefe Brüche im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Natur entstanden auch im Zuge der Industrialisierung und der damit verbundenen Vorstellung, dass gesellschaftlicher Fortschritt auf immer weiter fortschreitender technologischer Entwicklung und effektiverer Ausbeutung der Natur beruhe.

Eine wichtige These des Vortrags war, dass für unser Verhältnis zur Natur heute die Flurbereinigungen der 60er Jahren einen tiefen Einschnitt bedeuten. Durch diese wurde das kommunale dörfliche Leben stark verändert, kooperatives Wirtschaften erschwert und eine ökologische Nutzung der Böden immer unmöglicher.

Zur Veranschaulichung und Erklärung dieser historischen Entwicklungen dienten einzelne Bilder des kürzlich von der IDK veröffentlichten Wimmelbildes „Die unendliche Geschichte“.

Die Demokratische Moderne als Lösung der ökologischen Krise

Doch was nützt eine gute Analyse der Probleme, wenn daraus nicht eine Lösung folgt. Wie auch das Problem der ökologischen Krise nicht losgelöst von den multiplen Krise der Kapitalistischen Moderne betrachtetet werden kann, so findet sich die Lösung nicht allein in technologischen Entwicklungen. Vielmehr bedarf es des Aufbaus der Demokratischen Moderne, die auf einer Veränderung des Verständnisses von Natur und Ökologie, auf einer ökologischen Lebensweise, der demokratischen Selbstverwaltung der Gesellschaft und der Befreiung der Geschlechter basiert. Dabei wurde in der Veranstaltung die Wichtigkeit des Zusammenspiels von selbstverwalteten Kommunen, gesellschaftlichen Räten, Orten alternativer Bildung in Akademien und ökologischen Kooperativen betont. Zur Bedeutung der Wirtschaft in der Demokratischen Moderne schreibt Öcalan in ‘Soziologie der Freiheit: „In der Demokratischen Moderne hört die Wirtschaft auf, ein Bereich zu sein, in dem auf Profite spekuliert wird. Es wird geklärt, wie und mit welchen Methoden die Grundbedürfnisse am effektivsten befriedigt werden können, ohne zur Aufspaltung in Klassen zu führen und die Umwelt zu schädigen.“

Doch nicht nur für das Verständnis der Ursachen der ökologischen Krise, sondern auch in der Suche nach Lösungen, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Und so wurde in der Veranstaltung auch auf viele Beispiele ökologischer Lebensweisen und ökologischer Bewegungen, die ein anderes Verhältnis zur Natur hatten, eingegangen. Diese Schlaglichter reichten von mythologischen Figuren, die eine naturverbundene Lebensweise verkörperten über häretischen Bewegungen des Mittelalters bis hin zu Jugendbewegungen des 19. Jahrhunderts. Und auch auf aktuelle ökologische Kämpfe von indigenen Gemeinschaften, Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung und die Proteste gegen die Zerstörung der Natur von kulturellen Gruppen, wie z.B. den Fries:innen und Sorb:innen, wurde Bezug genommen. Zum Abschluss unterstrich der Referent die Wichtigkeit beim Aufbau des Demokratischen Konföderalismus an all diese Lebensweisen anzuknüpfen und von ihren Erfahrungen zu lernen.