Aysel Tuğluk: Zivilrechtliche Organisationen verlangen UN-Eingreifen

Angesichts des zunehmend schlechteren Gesundheitszustands der in der Türkei inhaftierten kurdischen Politikerin Aysel Tuğluk fordern mehr als vierzig Kammern, Organisationen und Verbände aus dem Zivilrecht ein Eingreifen der Vereinten Nationen.

Angesichts des zunehmend schlechteren Gesundheitszustands der in der Türkei inhaftierten kurdischen Politikerin Aysel Tuğluk haben mehr als vierzig Kammern, Organisationen und Verbände aus dem Zivilrecht ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft gefordert. Die Vereinten Nationen (UN) müssten sofort handeln, um die Freilassung von Tuğluk und anderen erkrankten Inhaftierten und ihre angemessene medizinische Versorgung zu gewährleisten, heißt es in einem Brief an die zuständigen UN-Sonderberichterstatter und Arbeitsgruppen.

Die Organisation solle ihren Einfluss nutzen, um zu gewährleisten, dass Bedenken hinsichtlich der Verletzung des Rechts auf Gesundheit von Gefangenen und Untersuchungshäftlingen aus dem Weg geräumt werden können, medizinisches Personal in ausreichender Zahl ungehindert seiner Arbeit nachgehen kann und die türkische Regierung einschlägigen Menschenrechtsorganisationen und zivilrechtlichen Verbänden den Zugang in Haftanstalten und Inspektionen einräumt, heißt es in dem Schreiben. Anhand des Umgangs der türkischen Regierungsbehörden mit Aysel Tuğluk, die trotz Pflege- und Haftunfähigkeit aufgrund einer Demenzerkrankung unter durch Corona erschwerten Haftbedingungen weiterhin in Gefangenschaft gehalten wird, werde deutlich, dass in dem Land weder nationales Recht noch internationale Standards eingehalten würden. Diese Tatsache gebe Anlass zur Sorge und erfordere „dringendes Handeln“ der Vereinten Nationen.

Aysel Tuğluk: Menschenrechtlerin, Anwältin, Abgeordnete

Die 56-jährige Rechtsanwältin, ehemalige Parlamentsabgeordnete und stellvertretende HDP-Vorsitzende Aysel Tuğluk befindet sich seit Ende 2016 in Haft. In mehreren Verfahren wurde sie bereits verurteilt, andere Prozesse sind noch anhängig. Im Februar 2020 bestätigte der türkische Berufungsgerichtshof die bislang höchste Freiheitsstrafe gegen Tuğluk über zehn Jahre Haft. Verurteilt wurde sie aufgrund ihrer Funktion als Ko-Vorsitzende des Graswurzelbündnisses „Demokratischer Gesellschaftskongress” (KCD) wegen „Leitung einer Terrororganisation“. Im Oktober vergangenen Jahres verhängte ein Gericht in Wan eine zwanzigmonatige Freiheitsstrafe wegen angeblicher PKK-Propaganda in den Jahren 2012 und 2013. Im sogenannten Kobanê-Prozess in Ankara droht Aysel Tuğluk zudem eine erschwerte lebenslange Freiheitsstrafe.

Mob attackierte Beerdigung von Mutter

Im September 2017 löste ein Angriff eines türkischen Mobs auf die Beerdigung von Hatun Tuğluk, der Mutter Aysel Tuğluks, weltweit Empörung aus. Eine Gruppe aus Rassisten und Nationalisten hatte die Beerdigung in Ankara mit Steinen attackiert und Hassparolen gegen die armenischen und alevitischen Minderheiten gerufen. Tuğluk war dabei und verfolgte das Geschehen wehrlos mit. Der Leichnam ihrer Mutter musste in der Folge exhumiert werden, weil der Mob angedroht hatte, das Grab zu schänden. Wenige Tage später wurde Hatun Tuğluk in Dersim beigesetzt. Ihre Tochter durfte sich nicht verabschieden, da ihr die Gefängnisleitung keine zweite Sondererlaubnis erteilt hatte. Es wird vermutet, dass die Demenzerkrankung von Aysel Tuğluk in jener Phase ihren Anfang nahm.

DAV und KulturForum TürkeiDeutschland unterstützen Appell

Zu den Unterzeichnenden des Briefs für ihre Freilassung gehören unter anderem Organisationen aus der Türkei, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Kanada, Südafrika und den Philippinen. Neben den Rechtsanwaltskammern in den kurdischen Städten Êlih (tr. Batman), Dersim, Amed (Diyarbakir), Çewlîg (Bingöl), Mêrdîn, Colemêrg (Hakkari), Mûş, Riha (Urfa), Şirnex, Wan und Sêrt gehören auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) und das „KulturForum TürkeiDeutschland” zu den Unterstützer:innen der Initiative. Die vollständige Liste der Unterzeichnenden lautet:

  • Türkiye İnsan Hakları Davalarına Destek Projesim Türkei;
  • AĞ-DA Toplumsal Cinsiyet Eşitliği Dayanışma Ağı, Türkei;
  • Asociación Libre de Abogadas y Abogados, (ALA), Spanien;
  • Özgürlük için Hukukçular Derneği (ÖHD), Türkei;
  • Conseil national des barreaux (CNB), Frankreich;
  • Eşit Haklar İçin İzleme Derneği, Türkiye;
  • European Association of Lawyers for Democracy and World Human Rights (ELDH);
  • European Democratic Lawyers (AED);
  • Hak İnisiyatifi Derneği, Türkei;
  • Deutscher Anwaltverein (DAV), Deutschland;
  • Düşünce Suçuna Karşı Girişim, Türkei;
  • Indian Association of Lawyers, Indien;
  • İnsan Hakları Gündemi Derneği, Türkei;
  • International Association of Democratic Lawyers (IADL);
  • International Bar Association's Human Rights Institute (IBAHRI);
  • International Commission of Jurists (ICJ);
  • International Observatory for Lawyers at Risk (OIAD);
  • KulturForum TürkeiDeutschland, Deutschland
  • Lawyers' Rights Watch Canada (LRWC), Kanada;
  • London Legal Group, England;
  • Medya ve Hukuk Araştırmaları Derneği (MLSA), Türkei;
  • National Union of Peoples' Lawyers (NUPL), Philippinen;
  • P24, Türkei;
  • Çağdaş Hukukçular Derneği, Türkei;
  • Republikanischer Anwältinnen - und Anwälteverein e.V. (RAV), Deutschland;
  • Roza Frauenverein, Türkei;
  • Syndicat des Avocats pour la Démocratie: le SAD, Belgien;
  • The Center for Research and Elaboration on Democracy/ Group of International Legal Intervention (CRED/GIGI);
  • The Italian Association Giuristi Democratici, Italien;
  • The National Association of Democratic Lawyers, (NADEL), Südafrika;
  • Toplum ve Hukuk Araştırmaları Vakfı, Türkei;